Skorpion
Mann für seinen Lebensunterhalt zu sorgen hat, selbst wenn er dafür durch einen Tunnel unterm Grenzzaun kriechen muss. Aber er wird mir nicht erzählen, dass dieses billige Zeugs, das sie da in Jesusland zusammenhauen, ebenso gut funktioniert wie Rimtech. Weil es verdammt noch mal nicht so is’.«
Ren schenkte Scott ein erschöpftes Lächeln.
»Überhör ihn einfach«, meinte sie. »Wenn Ward nicht im Lande ist, weiß man nie, wie viel von diesem hässlichen Koks sich Emil heute in die Nase gezogen hat.«
Nocera drohte ihr mit dem Zeigefinger. »Du nimmst deine Chemikalien, Carm, ich nehme meine.«
»Das hier?« Ren nahm den Joint aus dem Mund und hielt ihn zur allgemeinen Begutachtung hoch. »Das sind billige Drogen, Emil. Ich werde nicht diejenige sein, die eine Woche vor dem Zahltag um einen Vorschuss bettelt.«
»He, fick dich doch selbst!«
Sie steckte sich den Joint wieder in den Mund, drückte das Ende zwischen ihrem schwieligen Daumen und Zeigefinger zusammen und zog heftig. Der Scheit im Innern flammte mit einem deutlich hörbaren Knistern auf. Sie stieß seufzend eine Rauchwolke aus, durch die sie Nocera einen Augenblick lang betrachtete.
»Danke«, meinte sie dann. »Da habe ich diese Woche schon bessere Angebote.«
»Was, von dem Messdiener hier?«
Scott spürte erneut, wie er ganz heiß im Gesicht wurde, so heiß, heißer ging’s nicht. Carmen Ren war die prächtigste Frau, die er jemals leibhaftig zu Gesicht bekommen hatte, und seitdem sie zusammen auf Feldpflege waren, hatte er viel nackte Haut zu sehen bekommen. Sie zog sich so völlig ungeniert im Geräteraum um, dass es Pastor William, wie er wusste, stolz und unweiblich genannt hätte. Scott kehrte ihr höflich den Rücken zu, wann immer sie nackt war, erhaschte jedoch nach wie vor einen Blick auf sie, wenn sie den Reißverschluss des Taucheranzugs zuzog oder ihn sich unerwartet im Speedboat bis zur Taille herabzog, sobald es zu heiß war. Ihre Haut war wie heller Honig, und die Kurven ihres Körpers zeigten sich untergründig, wenn auch unmissverständlich, in den formlosen Overalls von Ward Biosupply, die sie alle im Hafen trugen. Mehr als das jedoch hatte Carmen Ren langes, glattes Haar, dass ihr wie schwarzes Wasser die Schultern herabfloss, wann immer sie die Spange in Spinnenform löste, die es oben hielt, und dabei den Kopf auf eine merkwürdige, nachlässige Weise auf eine Seite legte. Sie hatte dunkle, ironische Augen, die sich zierlich in den Winkeln hoben, und Wangenknochen wie Simse auf einem Himalajagipfel, und wenn sie sich auf etwas konzentrierte, nahm ihr ganzes Gesicht eine porzellanhafte Reglosigkeit an, die ihm das Herz zerriss.
Über die letzten paar Wochen hinweg hatte sich Scott dabei ertappt, dass er häufig an Ren dachte, wenn er des Nachts heimkehrte, und zwar auf eine Weise, die sündig war. Er hatte sein Bestes getan, dem Drang zu widerstehen, aber es hatte nichts genutzt. Sie schob sich ungebeten in seine Träume, in Posen und Szenarien, die ihn erröten ließen, wenn er sich während der wachen Stunden wieder daran erinnerte. Mehr als einmal war er kürzlich fest und hart aus seinen Träumen erwacht, die Hand bereits an sich gelegt und den Geschmack von Rens Namen im Mund. Noch schlimmer, er hatte das Gefühl, dass Ren, wenn sie ihn ansah, bis tief hinab in das schweißfeuchte Herz des Verlangens hinabschauen konnte und ihn dafür verachtete.
Jetzt sah sie rauchend auf Nocera hinab, als wäre er etwas, das gerade aus den Mulchtanks herausgesickert war.
»Du bist heute wirklich ein abscheuliches kleines Arschloch, nicht wahr?« Sie wandte sich an Scott. »Möchtest du einen Kaffee oben am Kai?«
»Äh, zusammen mit dir, meinst du?« Scott sprang auf, als sie nickte. »Natürlich. Yeah. Klasse.«
»Äh, öh, mit, äh, dir?«, äffte ihn Nocera höhnisch nach und vollführte Armbewegungen wie ein sterbendes Insekt. Versuchte sich an einem Pseudo-Akzent aus Jesusland, den er sich im Netzwerk aus Comedyshows zusammengesucht hatte. »Nö, nö, Liebling, du kanns’ doch so einer Dame kein Korb geben. Äh, gelobt, öh, sei der Herr!«
Scott spürte, wie er die Fäuste ballte. Er hatte zu Hause genügend Raufereien gehabt, um zu wissen, dass er keine große Kämpfernatur war, ganz im Gegensatz zu Nocera, wie ein Blick auf ihn zeigte. Er hatte die Narben gesehen, als der ältere Mann einen Taucheranzug an- und wieder abgelegt hatte, hatte es ebenfalls seiner Haltung und der nackten Herausforderung in den
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