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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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überwogen bei seinem großartigen Angebot die genialen Kreationen mit Foie, Austern und Kartoffeltortilla; und drittens war das Qualitätsniveau beim ersten Besuch kein Zufall gewesen.
    Da ich im Theater Rosamari getroffen hatte, die selbstlose Exsekretärin und Geliebte meines Vaters, und das mindestens, seit Franco den Löffel abgegeben hatte – unter Schluchzern, die ihr Tapirgesicht noch hässlicher machten, hatte sie mir gestanden, dass Don Leonardo ihr in letzter Zeit ebenfalls aus dem Weg ging –, die seit meiner Kindheit bei jedem Treffen versucht, mir Geld zuzustecken, erlaubte ich mir, ein paar Leckereien zu bestellen: die Austern und den Savarin; zwei Entdeckungen, vergleichbar mit der Erfindung der Spicknadel, dem dritten Zinken der Gabel und dem Bathyskaph von Piccard.
    Während ich meine Gedanken, die von diesen köstlichen Reizen eingelullt waren, umherschweifen ließ, kam er auf einmal herein. Warning! Instinktiv zog ich mir die dicke Schottenmütze bis zu den Augenbrauen herunter – sie war echt, erstanden in Dumbarton am Ufer des Loch Lomond – und rieb mir mit der offenen Handfläche über die Schläfe, um mein Gesicht teilweise zu verdecken. Er sah kurz zu mir rüber, doch glaubte ich, dass er mich nicht erkannte hätte. Er war in Begleitung von zwei Gestalten, die aussahen, als stammte der eine aus der Truppe des Priesters Santa Cruz aus dem zweiten Karlistenkrieg und der andere aus dem Film Freaks von Tod Browning. Ich tat nicht, was ich hätte tun sollen – was wäre mir nicht alles erspart geblieben! – und was die Vernunft gebietet, wenn man im Bilde ist: zahlen und schleunigst verschwinden. Stattdessen harrte ich aus, um ein bisschen zu spionieren. Und das, obwohl Antontxu blieb, um mit den beiden Kumpanen einen zu heben, anstatt hinter den Tresen und in die Küche zu schlüpfen. Ich muss bekennen, dass dieser vulgäre und zugleich zum Sublimsten fähige Proteus eine brennende Neugier in mir weckte. Trotz des hohen Risikos reizte es mich, ihn dabei zu beobachten, wie er sich in seiner vertrauten Umgebung bewegte.
    Er bat den Wiederkäuer hinterm Tresen, ihm aus dem Weinlager eine richtig temperierte Flasche 94er Viña Tondonia Reserva zu bringen – ein klassischer Rioja, zu klassisch, doch ein exzellenter Jahrgang –, zu der er seine pittoresken Begleiter einladen wollte. Der Knecht betrat die Küche, um den Wein zu holen; ich fragte mich, wo er gelagert wäre oder was sie in dieser Streichholzschachtel möglicherweise Weinlager nannten.
    Mit einem Prankenhieb entriss Antontxu die Flasche Rotwein den Patschhänden des Wiederkäuers und machte sich mit der Technik eines Chirurgen von Lepanto, der die Kugel einer Hakenbüchse entfernt, daran, sie zu entkorken. Er nahm den zylinderförmigen Korken mit zwei Fingern und prüfte ihn kritisch und mit einem zusammengekniffenen Auge; es schien, als betrachtete er Dantes Hölle durch ein Loch. Dann schnupperte er mit der Aufmerksamkeit eines Jagdhundes daran, verzog den Mund zu einer Grimasse, die wohl ein zustimmendes Lächeln bedeuten sollte, und warf ihn auf die behaarte Stelle zwischen den Brauen des Freaks, der Verwünschungen gegen Jesus und seinen Vater – den des Gastgebers – ausstieß. Zum Schluss schenkte er zwei Fingerbreit in ein Glas ein, schwenkte es, wodurch er ein kleines Seebeben verursachte, nahm einen kräftigen Schluck, verdrehte die Augen und gurgelte, dass es klang wie der Überlauf des Panamakanals.
    »Eine ziemliche Brühe. Für euch zwei mehr als gut genug …«, sagte er zu den wartenden Saufkumpanen, während er ihnen einschenkte. »Bring noch ein Glas«, befahl er dem stummen Wiederkäuer, der reglos vor ihm gestanden hatte, bis die Probe abgeschlossen war. »Bring es diesem Herrn, wenn er möchte, an Stelle der Nährflüssigkeit, die er da trinkt.«
    Er meinte mich! Ich schwankte, ob ich verduften oder ihm danken sollte. Ich, der sich eingebildet hatte, dass er mich nicht einmal gesehen hätte!
    Ich spielte den Starken und hob den Mittel- und Zeigefinger an den Mützenaufschlag. Ich wollte »Danke« sagen, brachte aber nur ein unverständliches, hühnerartiges Krächzen heraus. Es war egal, denn er schaute gar nicht her zu mir.
    Wieso lud er mich zum Wein ein? Wollte er Frieden schließen oder die Sache im Twins wiedergutmachen?
    Höchste Alarmstufe.
    Außerdem hatte er »Nährflüssigkeit« gesagt, ein typischer Ausdruck aus Haddocks Sprachschatz. Wenn er ebenfalls Fan von Tim und Struppi war, könnte man das

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