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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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ein schwerer Unfall, wird das Programm unterbrochen. Suchen Sie danach, tun Sie mir den Gefallen.«
    »Nicht dass ich es nicht tun würde, verstehen Sie mich recht, mir ist es eigentlich egal, aber Sie liegen falsch. Wenn etwas passiert wäre, wäre auch dieses Programm schon unterbrochen worden, und sie spielen weiter Weihnachtslieder«, argumentiert er und dreht sich, glücklich über den platten Syllogismus, nach mir um. Ich muss gestehen, dass er mich überrascht hat. »Jetzt hab ich Sie erwischt, was?«
    »Ich geb’s auf …«, seufze ich und stehe kurz vor einem Heulkrampf.
    Wieder schaut er mich an, diesmal argwöhnisch.
    »Sagen Sie, Sie haben doch nicht irgendwas verbrochen, oder? Sie haben kein Handy, haben es eilig, ins Krankenhaus zu kommen, ohne dass Ihnen sichtbar etwas fehlen würde … Und Sie wollen wissen, ob in der Spargeldose was passiert ist …«, er wird auf einmal wütend und hebt die Stimme, »Sie steigen augenblicklich aus meinem Taxi aus, ja? Ich lass mich weder von diesen Eta-Fritzen noch von den Bullen einschüchtern, nicht einmal von meiner Mutter, die endlich in Frieden ruhen mag, verdammt.«
    Meine prekäre Lage erlaubt es mir nicht, mich mit diesem Geisteskranken anzulegen – der er in bestimmten Momenten gar nicht zu sein scheint, so als hätte er noch ein As im Ärmel – und in diesem Stau ein anderes Taxi auftreiben zu müssen. Jedenfalls geht er mir dermaßen auf den Sack, dass ich einen aggressiven Ton nicht vermeiden kann.
    »Wenn ich Eta-Mitglied wäre, hätte ich Ihnen schon längst den Kopf weggepustet, das kann ich Ihnen versichern.«
    »Nur für den Fall … Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass es gar nicht so einfach ist, mir den Kopf wegzublasen.«
    »Okay. Lassen wir das.«
    Als ob die Situation nicht schon verfahren genug wäre, fängt es auch noch mit tropischer Heftigkeit an zu regnen. Was ist bloß aus dem sanften Nieselregen von Bilbao geworden? Resigniert sehe ich durch das Seitenfenster, wie die Leute rennen, um sich ausgerechnet unter dem Vordach des Corte Inglés, wo dieser Idiot am liebsten hingehen würde, vor dem Wolkenbruch in Schutz zu bringen, und tauche wieder ein in die Erinnerungen an meine Geschichte mit Antontxu Astigarraga.

8
     
    Der Grund, warum Astigarraga mich an jenem Abend sprechen wollte, war, dass er sich für sein unschickliches Benehmen in der Kneipe der Rigoitia-Zwillinge entschuldigen wollte, was ich weitestgehend – noblesse oblige – annahm. Trotz der Äthylvergiftung konnte er sich an mich und an alle Einzelheiten des Zwischenfalls erinnern, und obwohl ich Struppi diesmal nicht dabei hatte, erkannte er mich augenblicklich, als er mich in seiner Kneipe sah. Er entschuldigte sich mit höflichen Worten und ohne jeden Anflug von Stolz, was ich von einem Typen mit solchen Anwandlungen überhaupt nicht erwartet hatte.
    Dieser Mann bereitete mir eine Überraschung nach der anderen; in diesem Moment ahnte ich ja nicht, dass dies noch nicht einmal das Vorspiel zum eigentlichen Drama war.
    »Ich hatte ziemlich viel Wein intus, und manchmal benehme ich mich dann sogar bei Leuten daneben, die mit meinen Geschichten nichts zu tun haben. Falls Sie irgendwann einmal wieder in meine Kneipe kommen sollten, können Sie Ihren Hund gerne mitbringen, er ist willkommen. Ich mag Tiere, vor allem Hunde … Ich hatte auch einen, vor langer Zeit …«, sagte er wehmütig, beinahe traurig.
    »Ich danke Ihnen, wegen mir ist die Sache vergeben und vergessen«, – wie wird man doch für die eigene Großmut belohnt – »aber mal was anderes, ich freue mich, dass ich Ihre Kneipe entdeckt habe. Ich war nur zweimal hier und habe bereits ein halbes Dutzend dieser köstlichen Kreationen der gehobenen Tapasküche probiert, die aus Ihrer schöpferischen Hand stammen, und es gibt nur ein Wort dafür: sublim.«
    »Schöpferisch, na ja, ich glaube, nur der Zufall ist schöpferisch, oder zerstörerisch, je nachdem. Doch ich danke Ihnen für die Schmeichelei.«
    Bemerkenswerter Gedanke. Er hatte Sinn für Humor, wie er bereits kurz zuvor im Umgang mit dem stammelnden freak bewiesen hatte, er war nicht dumm, und mit seiner Bildung musste er sich wohl auch nicht verstecken. Bei jemandem, der fähig war, sich solche ausgeklügelten kulinarischen Arrangements auszudenken, konnte es nicht anders sein.
    Die Inkarnation von Kapitän Haddock war also einer von jenen seltenen Fällen von kultiviertem und ehrenhaftem Doktor Jekyll, den reichlicher Weingenuss in einen

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