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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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gewalttätigen und primitiven Hyde verwandelte.
    Er war nicht der erste, den ich kennen lernte. Mein früherer Freund Pipo Pernera zum Beispiel, ehemals Proktologe und heute verblödeter Schizophrener, ging beim vierten Whisky von einer Sekunde zur anderen von scheinbarer Nüchternheit dazu über, wie Donald Duck in Originalversion zu reden; beim fünften verwandelte er sich in ein sonderbares Wesen, einer Mischung aus dem Mädchen aus Der Exorzist und Doktor Mengele; und beim sechsten ließ er die Erfinder der Koprophagie und Sodomie wie winzige Milben erscheinen.
    »Ich glaube, Sie übertreiben mit Ihrem Lob. Ich koche einfach mit ein wenig Phantasie, wie heutzutage übrigens viele Leute; das ist alles«, fügte er mit einer Bescheidenheit hinzu, die echt klang.
    »Es ist mehr als das, glauben Sie mir. Ich halte mich für einen ausgewiesenen Gourmet, und ich versichere Ihnen, dass in ganz Bilbao niemand ein Angebot von solchem Raffinement, solcher Qualität und Originalität zu bieten hat. Sie können es locker mit den besten Tapas-Bars von San Sebastián aufnehmen.«
    Ich wusste, dass ihm der Vergleich mit den feinen Tresen von Donostia gefallen würde; sein breites Lächeln verriet es mir. Eitelkeit ist nun mal der Motor der Welt, und obwohl er kein Prahlhans war, war Astigarraga nicht frei davon.
    »Sehr liebenswürdig. Sie scheinen ein connaisseur zu sein, und davon gibt es nicht viele. Haben Sie es eilig?«
    »Eigentlich nicht«, der französische Begriff des connaisseur, mit dem er meine Wenigkeit bedachte, machte mir Laune.
    »Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen gerne ein paar Dinger zum Probieren geben und Ihre Meinung dazu hören. Hier versteht sonst keiner was davon; das ist eine richtige Bande von Eichelfressern.«
    Mir fielen Tiberius VIII. und seine Gefolgschaft ein.
    »Ganz im Gegenteil, es ist mir eine Ehre«, erwiderte ich und war bemüht, den Jubel meiner Papillen zu dämpfen, die sich zum Klang von Louis Armstrongs Trompete zur Attacke bereitmachten.
    Er reichte mir seine baggerschaufelgroße Hand, quetschte kraftvoll meine Datteln, und wir stellten uns offiziell einander vor, was wir bisher nicht getan hatten.
    »Antón Astigarraga Iramendi, geboren in Donostia, gemeldet in Bilbao und mit dem Herzen in Bordeaux.«
    Meine Intuition, dass er seine Wurzeln in Guipúzcoa und französische Bindungen hatte, stimmte also.
    Dann trat er hinter den Tresen und bewirtete mich großzügig mit Kostproben von seinem Speiseplan.
    Er wollte, dass ich etwas probierte, das ich noch nicht von seiner Häppchentafel kannte, etwas von den Neuheiten der Woche und eines seiner jüngsten Experimente.
    Zuerst nahm er aus dem Kühlschrank ein hübsches Dreihundertfünfundsiebzig-Milliliter-Fläschchen Château D’Yquem – die beste Marke aus dem Sauternes –, das mir als perfekter Begleiter der ersten erlesenen Kostprobe dienen sollte: der meisterhaften Gänseleber in Gelee von Tempranillo mit köstlicher karamellisierter Birne.
    »Ein Sauternes aus der legendären Ernte von sechsundachtzig, der im Jahr zweitausend nicht einen Hauch von seinem Körper verloren hat. Hab ich nicht Recht, Pacho?«
    Es war mir angenehm, meinen Spitznamen aus seinem Munde zu hören. Und natürlich stimmte ich dem vortrefflichen Erhalt dieses sündhaft teuren, samtigen und lieblichen Weißen zu, obwohl ich nicht die Gelegenheit hatte, mehr als ein halbes Glas davon zu trinken; der Rest verschwand kurzerhand in Antontxus weitem Rachen.
    Er war jemand, der ständig in Bewegung sein musste und einen rüden Ton anschlug, sobald er sich einen hinter die Binde gekippt hatte; ein typischer Zwangscharakter oder, um genauer zu sein, die Karikatur eines Zwangscharakters.
    Er konnte nicht einen Moment stillhalten; unzählige Male ging er in die Küche, um mir vom ausgefallenen Korkenzieher bis zur wunderschönen weißen Trüffel – der Preis lag nur wenig unter dem eines Diamanten –, konserviert in einem beinahe durchsichtigen Öl aus Lérida, alles Mögliche zu zeigen; er rannte hin und her, damit ich ein paar zarte rote Algen probierte, die er aus Japan importiert hatte, oder ein köstliches Eis aus Tintenfischtinte mit einem überraschenden Meeresschaum, den er aus dem Saft von Entenmuscheln und Austern hergestellt hatte.
    Er war mehr als bewandert in sämtlichen gastronomischen Disziplinen. Er genoss es, mir sein Spielzeug und seine Entdeckungen vorzuführen, und ich, ehrlich gesagt, auch.
    Seltsamerweise rührte er von den Köstlichkeiten, die

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