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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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Ungewöhnliches.

3
     
    Was mich betrifft, so verbrachte ich meine Kindheit praktisch ohne je aus Alzo herauszukommen; wie alle Dorfkinder in einem unterentwickelten Land führte ich ein verwahrlostes Leben.
    Als Jugendlicher besuchte ich in Tolosa eine Berufsschule.
    1961, mit siebzehn, begann ich, bei verbotenen Zirkeln baskischer Patrioten mitzumischen. In meinem Kopf brodelte eine konfuse Mischung nationalistischer Ideen mit einem Anstrich von Marxismus-Leninismus.
    Zwei Jahre zuvor, 1959, hatte sich auf Initiative von Studenten der Universität Deusto und des Technikums von Bilbao mit Unterstützung der unvermeidlichen Seminaristen und Priester die ETA gegründet. Es waren unzufriedene Aktivisten der Baskischen Nationalistischen Partei PNV, die fanden, dass Francos Staatsapparat eine direktere und unmissverständlichere Antwort verdiente.
    1961 war die einzige Aktion, die von einer gewissen Tragweite war, ein Anschlag auf die Bahnlinie zwischen Madrid und Barcelona. Erst 1968 sollte ihr langer und noch immer nicht beendeter blutiger Kampf mit dem ungeplanten Tod des Polizisten José Pardines während einer Straßenkontrolle und der späteren, in diesem Fall geplanten Eliminierung eines Polizeiinspektors, des Folterers Melitón Manzanas, beginnen.
    Doch viel früher, 1962 nämlich, versuchten neue Mitglieder der ETA und Aktivisten der PNV Franco zu vergiften, ein bis zum heutigen Tag unbekanntes historisches Ereignis, das ich hiermit der Öffentlichkeit preisgebe.
    Mein Onkel, der ehemalige Seminarist und Söldner Patxi Iramendi, Bruder meiner Mutter, war einer der Mitbegründer der ETA und spielt die entscheidende Rolle in diesem Stück.
     
    Ich unterbrach meine Lektüre am Bildschirm für einen Moment. Wenn ich mich recht erinnerte, war Patxi Iramendi alias Tartalo der Anführer von ETA gewesen, der in Algier mit der Regierung der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE verhandelt hatte und, ich glaube Mitte der achtziger Jahre, nach offiziellen Angaben auf einer algerischen Straße bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen war.
    Es gab Gerüchte, dass ihn sowohl Hardliner unter seinen eigenen Gesinnungsgenossen als auch Leute vom spanischen Militärgeheimdienst CESID ermordet haben könnten; Letztere, weil aus unerfindlichen Gründen eine Fortsetzung der Auseinandersetzungen mit der ETA für sie von Vorteil gewesen wäre.
    Meine Lust, so schnell wie möglich zu dem Fest im Guggenheim zu gehen, war verflogen wie Haddocks Whiskydurst angesichts des antialkoholischen Gesöffs, das ihm Professor Bienlein in » Tim und die Picaros « reicht. Meiner allerdings nicht. Ich stand auf und ging zur Bar, um mir die Flasche mit dem fünfzehn Jahre alten Glenmorangie und eine Schachtel Benson & Hedges zu holen. Ich rannte fast zum Computer zurück, um mit der – vielleicht zum ersten Mal im Leben fehlte mir das passende Adjektiv, um etwas zu benennen – Geschichte fortzufahren.

4
     
    Der Zufall verhalf uns zu den notwendigen Rahmenbedingungen, um den Plan auszuhecken und in die Tat umzusetzen.
    Feldwebel Cilleruelo, Kriegskamerad und Kollege meines Vaters, bekam Mumps, was, weil er erwachsen und von schwacher Konstitution war, eine längere Krankschreibung erforderlich machte.
    Ich war gerade achtzehn geworden, hatte die Berufsschule abgeschlossen und keine Arbeit. Mein Vater hatte entschieden, dass ich im darauf folgenden Jahr als Freiwilliger zum Militär gehen sollte. Es passte ihm nicht, dass ich nicht in Lohn und Brot war, meine Zeit verplemperte und mit Catalina, meiner Freundin, in Tolosa herumturtelte. Es war seine Idee, in Ayete seinen Sohn als Vertretung vorzuschlagen, bis der Feldwebel wieder genesen wäre, da er nach zweiundzwanzig Jahren als Vorkoster im Dienst des Generalissimus zu der Überzeugung gelangt war, dass es kein bisschen gefährlich sei. So hätte er ein Auge auf mich, und ich könnte außerdem meiner Mutter ein wenig Geld nach Hause bringen.
    Da an Gesinnung und Loyalität meines Vaters nicht im Geringsten gezweifelt wurde und die Polizei nichts von meinen heimlichen Sympathien wusste, gingen der Chef der Leibgarde und Franco persönlich auf den Vorschlag ein.

5
     
    1962 war der Diktator siebzig geworden. Im Jahr davor war bei einem Jagdunfall sein Gewehr explodiert (viele dachten, dass es in Wirklichkeit ein Attentat war); seine linke Hand war dabei schwer verletzt worden, und er konnte sie nicht mehr richtig bewegen. Im selben Jahr sah er sich einem langen Lohnstreik der

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