Skorpione im eigenen Saft
eines Offiziers der Leibgarde; der zweite kostete die Mahlzeiten stets unter den aufmerksamen Blicken des Diktators, normalerweise vom bereits servierten Teller.
Mehr als einmal habe ich gedacht, dass die Stunde zwischen der Zubereitung und dem Auftragen der Mahlzeiten, was das Kulinarische betraf, mehr als einen Koch in Not gebracht haben musste. Obwohl sich Franco, außer beim Wein, nicht gerade durch einen empfindsamen Gaumen auszeichnete.
In seiner Enthaltsamkeit war er konsequent bis zum Erbrechen und trank ausnahmslos ein einziges Glas am Tag.
Allerdings setzte er die Vorkoster nicht zu dem Zwecke ein, den man aus der Renaissance als salva kennt, was bedeutet, die Speisen mit dem Besteck der zu schützenden Person zu schneiden und zum Mund zu führen, um sicher zu gehen, dass die Esswerkzeuge nicht vergiftet waren. Bei Franco muss diese traditionelle Vorgehensweise, die ihn dazu gezwungen hätte, mit dem Speichel des Vorkosters in Berührung zu kommen, Ekel erregt haben. Er vermied es, indem er verlangte, dass man ihm das Essbesteck auf einem Silbertablett vorlegte, es mit Alkohol einrieb und erhitzte, bis der hochprozentige Alkohol verdunstet war. Die Serviette wurde unter Dampf gereinigt und noch dampfend gebracht, als handele es sich um ein Rasiertuch, und die Gläser wurden mit kochendem Wasser gefüllt, was häufig dazu führte, dass die feineren zersprangen. Nach dieser grotesken Zeremonie reinigte der Caudillo wie ein Gast in einem Restaurant mit zweifelhaften hygienischen Bedingungen persönlich das Besteck mit einer sterilisierten Serviette.
Von meinem Vater erfuhr ich, dass bis April 1939, also während des Bürgerkrieges, ein Obergefreiter der Guardia Civil, der bei der Verteidigung des Alcázar von Toledo das Augenlicht verloren hatte, und ein fettleibiger Falangist seine Vorkoster gewesen waren. Es hätte auch jeder andere sein können. Scheinbar war für die Tätigkeit keinerlei Qualifikation erforderlich. Diese Vorkoster waren Lichtjahre von denen entfernt, die Louis XIV. in Frankreich gehabt hatte, die, wie Julio Camba schreibt, wenn sie in einen Fasanenschenkel bissen, aufgrund der Festigkeit des Fleisches unterscheiden konnten, ob es sich um das Bein handelte, das der Vogel zum Schlafen einzog, oder um das, auf dem er sein gesamtes Gewicht trug.
Nach Kriegsende entließ Franco die beiden Vorkoster. Nachdem er sich im Palast El Pardo verschanzt hatte, fühlte er sich anscheinend sicherer und verzichtete auf diese Vorsichtsmaßnahme. Allerdings benutzte er bis zu seinem Tod das Geschenk, das ihm der türkische Präsident, der Autokrat Menderes, 1954 gemacht hatte. Es handelte sich um eine Schüssel aus dem Topkapi-Palast in Istanbul, deren Keramik sich dunkel verfärbte, wenn man vergiftete Speisen hineintat (allerdings kenne ich das Prinzip nicht). Auch wenn es nur bei Arsen, Zyankali und anderen konventionellen Giften funktionierte, wurde es von Franco und seiner Frau Carmen Pola von da an täglich in ihrem privaten Speisezimmer des Pardo verwendet.
Nachdem er Spanien in sein persönliches Quartier verwandelt hatte, lockerte Franco die Sicherheitsmaßnahmen. Ein Attentat gegen ihn war nicht unmöglich, aber nur mit einer Kamikazetechnik zu verwirklichen; ein wirkliches Opfer wäre nötig gewesen, was nicht sehr gut zum Überlebensdrang des Spaniers passt.
Allerdings verbrachte der Staatschef seine ausgiebigen Sommerfrischen seit dem Jahr 1940 meistens im Palast Ayete in San Sebastián, und wieder beschäftigte er Vorkoster. Das tat er nur hier, im Baskenland. Weder auf dem Herrensitz von Meirás in Galizien, wo er den Rest des Sommers verbrachte, noch bei seinen Jagdpartien oder Angelausflügen an verschiedenen Orten innerhalb Spaniens gebrauchte er sie. Vielleicht hatte diese Sonderregelung etwas mit seinem ausgeprägten Misstrauen gegenüber den Basken zu tun, die er in der Mehrzahl für gefährliche Separatisten hielt.
Mein Vater verbrachte also anderthalb oder zwei Monate im Jahr in Ayete, wo er dieser ungewöhnlichen Tätigkeit nachging. Sein Kollege, Feldwebel Cilleruelo aus Burgos, der in der nahe gelegenen Kaserne in Loyola stationiert war, war ebenfalls Unteroffizier (mein Vater hatte seine Stellung und das Gehalt eines Requetés-Unteroffiziers behalten). Wenn Franco am Ende des Sommers nach Madrid zurückkehrte, erhielten beide eine nicht gerade üppige Sondervergütung und kehrten zu ihrer gewohnten Arbeit zurück.
Über zwanzig Jahre, bis 1962, geschah nie etwas
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