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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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gerne von Hand geschrieben, weil sie sehr persönlich sind, aber mein zwanghafter Charakter erlaubt es mir schon seit langem nicht mehr, flüssig zu schreiben. Deshalb habe ich auf den unpersönlichen Computer zurückgegriffen.
    Es interessiert mich nicht im Geringsten, wie andere (Sie eingeschlossen) über meine schrecklichen Taten urteilen, zu denen mich ein quälender und nun beinahe gestillter Rachedurst und bestimmt auch eine Art Wahnsinn getrieben haben; doch für den Fall, dass außer Ihnen jemand diese Zeilen lesen sollte, will ich mich wenigstens verständlich machen.

2
     
    Mein richtiger Vorname lautet Carlos María, das mit Antón oder Antontxu war ein Beiname oder Spitzname, den mir eine Frau irgendwann gegeben hat, von der ich später noch erzählen werde. Ich habe mich daran gewöhnt und benutze ihn seit damals.
    Meinen Nachnamen kennen Sie bereits: Astigarraga Iramendi.
    Meine Muttersprache ist Baskisch; Spanisch wurde mir in der Schule eingebläut.
    Ich wurde 1944 in Alzo geboren, einem winzigen Dorf, das versteckt in einem engen Tal im Herzen Guipúzcoas liegt, nicht weit von Tolosa und der Grenze zu Navarra entfernt.
    Vielleicht haben Sie schon mal von dem Riesen von Alzo gehört, wahrscheinlich das Einzige, was mein Dorf zum Weltgeschehen beigetragen hat. Es soll sich um einen armen Bauern gehandelt haben, der unter Riesenwuchs litt (er war zwei Meter siebenundzwanzig groß, der größte Mensch auf dem Kontinent zur damaligen Zeit) und den man Mitte des 19. Jahrhunderts in ganz Europa in einem Zirkus vorführte. Neben dem Bauernhof, auf dem er geboren wurde, kann man sich noch immer seine Silhouette, die in einen großen flachen Stein gemeißelt wurde, und eine seiner übergroßen Sandalen anschauen.
    Als ich zur Welt kam, bestand das Dorf aus knapp hundert Bauernhöfen. Auf jedem lebten zwei Familien, und mindestens auf neunzig Höfen redeten die Nachbarn nicht miteinander.
    Mein Vater, der wie sein Vater ebenfalls auf den Namen Carlos Maria getauft worden war, stammte aus Alzo.
    Meine arme Mutter, Asunción Iramendi, war eine schweigsame Bäuerin aus Oreja (einem nahe gelegenen Dorf) und geistig vielleicht ein wenig zurückgeblieben.
    Ich habe keine Geschwister. Meiner Mutter hatte man, kurz nachdem sie mich zur Welt gebracht hatte, wegen einer Entzündung die Eierstöcke entfernt.
    Mein Vater stammte aus einer Karlistenfamilie (sein Großvater starb 1874 in Bilbao). Er war ein begriffsstutziger, einfacher und seinen wenigen Grundsätzen treuer Mann. Und er war streng; ich erinnere mich, dass er den Gürtel oder einen Lederriemen benutzte. Im Bürgerkrieg war er bei den Requetés aus Navarra, in der Nordarmee von General Mola.
    Nur damit Sie sich eine Vorstellung von seiner primitiven Art machen können: Er erzählte mir ganz stolz, dass ihm meine Mutter bei einer Gelegenheit Geld gab, damit er sich beim Zahnarzt in Tolosa einen Zahn ziehen ließ, der ihm Schmerzen bereitete. Er beschloss, sich im Dorf lieber den Bauch voll zu schlagen und sich anschließend selbst den Zahn zu ziehen, dort in der Kneipe, indem er zwei Kuchengabeln als Hebel benützte.
    Ich habe mich meinem Vater nie sehr nah gefühlt, aber ich respektierte und liebte ihn auf meine Weise; erst viele Jahre nach seinem Tod merkte ich, wie sehr.
    Gerne hätte ich es ihm zu Lebzeiten gesagt.
    Als der Krieg vorbei war, kehrte mein Vater nach Alzo zurück, um sich um die Saatfelder und seine paar Kühe zu kümmern.
    Doch 1940 trat er aufgrund einer Reihe unseliger Umstände, die nicht hierher gehören, in den persönlichen Dienst Francos ein; er wurde einer seiner beiden Vorkoster.
    Es ist bekannt, dass Franco, nachdem er in Burgos zum Generalissimus ernannt worden war, ab September 1936 die Sicherheitsvorkehrungen rund um seine Person verschärfte. Nach dem Tod seines Freundes Emilio Mola am 3. Juni 1937 allerdings, der, wie nur wenige glauben wollten, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war (von da an setzte Franco keinen Fuß mehr in einen Flieger), war er regelrecht besessen von seiner Furcht vor Mordanschlägen.
    Zu dieser Zeit beschloss er, zwei Vorkoster anzustellen, die im Abstand von einer Stunde sein Essen probieren und ihm als Versuchskaninchen für einen möglichen Giftanschlag dienen sollten. Sie probierten alles, was er zu sich nahm, von mehrgängigen Mittagsmenüs mit seinem Generalstab bis zum Wasser.
    Der erste Vorkoster erfüllte seine Pflicht, wie bereits erwähnt, eine Stunde vor dem Essen und in Gegenwart

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