Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
Vom Netzwerk:
seit damals habe ich nur die Dicken begehrt. Besser gesagt, ich habe nur mit dicken Frauen schlafen können; bei Frauen mit normalen Proportionen bin ich völlig impotent.
    Mit einer einzigen Ausnahme, einer schmerzhaften und zugleich wunderbaren Ausnahme, von der ich Ihnen noch berichten werde.
    Irgendwann einmal habe ich erwähnt, dass ich einen Hund hatte, ein von mir sehr geliebtes Tier. Genauer gesagt, war es eine Hündin, Trüffel, eine baskische Schäferhündin und schlau dazu. Ich gab ihr diesen Namen, weil sie sehr gut darin war, auf dem Feld diese köstlichen Knollen zu finden. Einmal nahmen wir in Soria an einem Wettbewerb teil, und Trüffel wurde Zweite.
    In den ersten Jahren der Isolation leistete mir meine Hündin häufig Gesellschaft. Sie verbrachte viel Zeit in meinem Zimmer; ich hörte das Kratzen ihrer Pfoten auf dem Holzfußboden und merkte an den vertrauten Geräuschen ihrer Zungenschläge, dass sie mich leckte.
    Bis sie eines Tages im Februar 1966 (durch das vermaledeite Radio meiner Mutter war mir das Verstreichen der Zeit schmerzhaft bewusst) verschwand.
    Ich habe nie erfahren, was mit ihr passiert ist; in meinem Zimmer ließ niemand ein Wort darüber verlauten.
    Denen, die mich vergiftet hatten, gab ich ebenfalls die Schuld am Verlust meiner Freundin und der Hündin; die Hassschraube machte eine weitere Umdrehung.

18
     
    Auch wenn es kaum vorstellbar ist, verschlechterte sich meine Situation drei Jahre später, also 1969, noch.
    Ich verlor endgültig das Zeitgefühl. Ich wusste weder, welches Datum wir hatten noch welche Tageszeit herrschte.
    Später erfuhr ich, dass ich sechs Jahre in diesem Zustand verbracht hatte.
    Wie sehr vermisste ich das Radio meiner Mutter, das wie ein Kalender für mich gewesen und mir zu Hause so auf die Nerven gegangen war! Ich vermisste sogar die Stimme der angeblichen Elena Francis, die wie eine frigide Lehrerin klang.
    Meine Mutter war in dem Jahr gestorben. Sie war ins Krankenhaus gekommen, man hatte ein Krebsgeschwür diagnostiziert, und sie hatte diesen Ort nicht mehr lebend verlassen. Doch bis zum Jahr 1975 erfuhr ich nichts von diesem schmerzhaften Ereignis.
    Das Einzige, was ich über meine dürftigen Kommunikationskanäle mitbekam, war, dass ich, nachdem meine Mutter die letzte penetrant riechende Tortilla in meinem Zimmer gegessen hatte (das war meine letzte Erinnerung an sie), einige Stunden später abgeholt und in einem Wagen an irgendeinen Ort gebracht wurde, den wir relativ bald erreichten.
    Ich war in einer neuen Umgebung, mit völlig unbekannten Gerüchen und (sehr wenigen) Geräuschen.
    Kaum zu glauben, aber es stimmt; in diesen sechs Jahren habe ich keine menschliche Stimme, kein einziges Wort von irgendjemandem vernommen.
    In dieser Zeit verlor ich restlos den Verstand.
    Die Gesichter meiner sechs Todfeinde, meines Onkels (vor allem meines Onkels), der Frau, der drei Männer und des Priesters, beschäftigten meinen Geist rund um die Uhr.
    So mühelos, wie ich mich haargenau an ihr Aussehen erinnerte, so schnell vergaß ich es auch wieder. Ich prägte mir die wenigen Informationen ein, die ich über sie besaß, jedes Detail, das ich aus meiner diffusen Erinnerung hervorkramen konnte …
    Mich befiel jedes Mal Panik, wenn ich eine Kleinigkeit, und war sie auch noch so unbedeutend, vergaß oder mich nicht gleich daran erinnern konnte. Und ich geriet völlig aus der Fassung, wenn ich sicher war, dass etwas endgültig dem Vergessen anheim gefallen und damit verloren war.
    Im Geiste tötete ich sie Hunderte von Malen, einen nach dem anderen, auf viele verschiedene Arten, zu viele.

19
     
    In dem Zimmer, dem Krankensaal, dem Asyl oder was es auch immer war (obwohl ich natürlich nicht allein war, schien niemand in meiner näheren Umgebung zu leben), bekam ich regelmäßig Besuch.
    Ich spürte seinen Atem nah an meinem Gesicht.
    Der unangenehme Körpergeruch – es roch irgendwie ranzig oder nach Zwiebeln – war mir nicht vertraut, aber auch nicht völlig fremd.
    Es war ein Mann. Jedes Mal, nachdem er eine Weile schweigend bei mir verbracht hatte, atmete er tief durch und machte mit dem Mund Geräusche, wie jemand, der geknebelt worden war und zu sprechen versuchte: das typische »Mmmmm!« der Comicfiguren.
    Wenn die Geräusche aufhörten, drang als Nächstes ein schwacher Geruch an meine Nase, ganz schwach und irgendwie vertraut, aber bestimmen konnte ich ihn nicht, obwohl ich mir das Hirn darüber zermarterte.
    Es war ein Geruch, den ich manchmal

Weitere Kostenlose Bücher