Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
Vom Netzwerk:
wiederzufinden, und viel länger, um wieder laufen zu lernen und die Muskulatur aufzubauen, die nach dreizehn Jahren Bewegungslosigkeit kaum noch vorhanden war.
    Crescencio wich nicht von meiner Seite. Er fuhr mich mehrmals die Woche in seinem Wagen zur Rehabilitation ins Militärkrankenhaus nach Burgos (vergessen Sie nicht, dass ich zum Hauptmann der Infanterie ernannt worden war).
    Er gab sich anhänglich und besorgt um mein Wohlergehen.
    Zweifellos war er sich nicht sicher, ob ich das letzte Mal, als er mir einen geblasen und sich zum allerletzten Mal (glaubte ich damals jedenfalls) auf meine Kosten einen runtergeholt hatte, mitbekommen hatte. Ich ließ ihn in dieser Ungewissheit.

21
     
    Es war grausam, mein neues Gesicht zum ersten Mal im Spiegel zu sehen. Das Gesicht eines Jungen von achtzehn, das sich in das eines Mannes von einunddreißig verwandelt hatte, mit vorzeitig ergrauten Haaren und Bart.
    Während meines langen Schlafs hatte man mir also einen Bart wachsen lassen, aus Bequemlichkeit. Tatsächlich hatte ich häufig das vertraute Geräusch einer Schere nah an meinem Gesicht gehört, wenn man ihn gestutzt hatte.
    Seit damals habe ich ihn nicht mehr abrasiert (bis auf die Zeit in Bordeaux); der Bart ist zu einem körperlichen Symbol geworden, einer Mahnung an meinen Schwur.
    An jenem Tag weinte ich vor dem Spiegel verzweifelt um meine verlorene Jugend.
    Die Welt um mich herum hatte sich verändert, und ich hatte nichts davon mitbekommen; weder von der Mondlandung 1969 noch von der Erfindung des Minirocks oder der Ermordung Carrero Blancos, den die ETA 1973 in die Luft gesprengt hatte.
    Andererseits hatte Franco nach langem Todeskampf endlich den Löffel abgegeben, und zu diesem Zeitpunkt begann eine neue historische und politische Etappe für Spanien und das Baskenland, voller Hoffnungen und blanker Illusionen.
    Mich aber kümmerte das alles nicht.

22
     
    Crescencio schob das Gespräch, um das er nicht herumkommen würde, bis zum Tag vor meiner Abreise aus Loyola hinaus.
    Er lud mich zu einem einsamen Spaziergang in der weitläufigen Parkanlage der Kirche ein.
    »Als Erstes möchte ich mich bei dir bedanken, mein Sohn, dass du so taktvoll gewesen bist, es mir zu überlassen, das Thema anzusprechen …, Du weißt schon …
    Der Moment ist jetzt gekommen …, da du uns morgen verlässt …, was mir, nebenbei gesagt, das Herz bricht. Ich habe dich sehr lieb gewonnen, Carlosmari … Aber nun gut; es ist an der Zeit, dir eine vernünftige Erklärung zu geben und dir die Wahrheit zu sagen über das, was 1962 geschah … Obwohl es eigentlich gar nicht viel darüber zu sagen gibt, so gnadenlos und durchschaubar war dieses schmutzige Manöver«, sagte er, während er sich nervös seine weichen Pfaffenhände rieb, die so gerne onanierten.
    »In Ordnung, ich höre Ihnen zu, Pater. Aber bevor Sie irgendetwas sagen, sollen Sie wissen, dass ich für Sie nur Dankbarkeit empfinde und Ihnen keine Schuld gebe. Sie haben sich mir gegenüber großartig verhalten, man merkt einfach sofort, dass sie ein guter Mensch sind«, sagte ich, ohne eine lange Nase zu bekommen.
    »Du bist es, der gut ist, mein Sohn, gesegnet seiest du. Du beschämst mich.«
    Ich bemerkte, dass am Fuß einer Eiche Geräte von Tontxu, dem Gärtner, auf einem Haufen lagen. Wir waren noch immer völlig allein. Mit der großen Heckenschere hätte ich ihn erstechen, ja sogar enthaupten können (ich hatte Gewichte gestemmt und kräftige Armmuskeln bekommen). Doch ich verwarf die Idee. Wenn ich ihn jetzt ermordete, würde der Verdacht auf mich fallen, was mir eine lange Gefängnisstrafe einbringen und damit verhindern könnte, die anderen ebenfalls zu töten.
    »Dein Onkel Patxi ist an allem Schuld«, fuhr er mit unverhohlener Dreistigkeit fort, »er hat dich und die anderen betrogen. Nur er wusste, dass es gar kein Gegengift gab … Er hat uns alle benutzt …, aber dich, Carlosmari, um einen furchtbar hohen Preis! Er hat dich geopfert, ohne mit der Wimper zu zucken … Und dein armer Vater, der unglücklicherweise die Tintenfische gegessen hat …, was für ein Verhängnis!«
    »In den letzten Wochen hatte ich Zeit, über alles nachzudenken, und ich hatte mir schon so etwas gedacht, Pater … Mein eigener Onkel, wie schrecklich.«
    »Das ist es, zweifellos … Aber ich bitte dich, ich flehe dich an, mein Junge, sei ein guter Christ und beschmutze deine unsterbliche Seele nicht, die auch noch so rein und schön ist, mit dem Wunsch nach Rache.«
    »Ach,

Weitere Kostenlose Bücher