Skorpione im eigenen Saft
die Wohnung, in der das Kommando Madrid untergeschlüpft war, in San José de Valderas; vielleicht sogar im selben Viertel, in dem ich Lalo Cepillo, Blanca Eresis Agenten und Liebhaber, ermordet hatte.
Das Kommando Madrid wurde damals von einem der mutigsten, gesuchtesten und berühmtesten ETA-Aktivisten geleitet, José Luis Urruti Subera, der keinen Spitznamen hatte.
Urruti hatte seit geraumer Zeit heftige Auseinandersetzungen mit den Führungsmitgliedern, die er für unfähige Bürokraten, übertrieben blutrünstig und unverantwortlich hielt und die seiner Meinung nach ETA in den politischen Selbstmord trieben. Doch vor allem hielt er sie für einen Haufen Parasiten, die nur darum besorgt waren, ihr Leben, so wie es war, fortsetzen zu können. Mit dieser Einschätzung hielt er nicht gerade hinterm Berg; er teilte sie mir gleich am ersten Tag mit, während wir gemeinsam eine Flasche Selbstgebrannten patxaran leerten, den besten Schnaps der Welt laut seinem zweifelhaften Geschmacksurteil.
Auch die aus Saint-Barthélemy hatten die Schnauze voll von Urruti Subera, wie mir La Pantera mitteilte; sie hielten ihn für einen Geistesgestörten, den man sowieso bald in den Ruhestand schicken würde.
Urruti war besessen von seiner Tarnung und Sicherheit (in diesem Punkt hätte er sich mit Franco bestimmt verstanden). Fortwährend veränderte er sein Aussehen: Mal trug er Bart, dann wieder einen Schnauzer; er besaß verschiedene Brillen, änderte Haarfarbe und -länge und hatte den eisigen Madrider Winter über in einem Transporter geschlafen, der jede Nacht in einer anderen Straße abgestellt wurde. Er bedeckte die Metallwände mit Decken, um nicht vor Kälte zu erfrieren.
Seine Bettlektüre waren die Parallelbiographien von Plutarch, und er zitierte gerne Marc Aurel.
Eines Abends, als er mit La Pantera einen heftigen ideologischen Streit hatte, sagte er zu ihr:
»Erzähl mir doch nichts davon, dass man sich für die Sache opfern muss, sei nicht bescheuert … Die einzige Sache, die zählt, sind wir selbst.«
Die Polizei verhaftete ihn 1997 zufällig bei einer Verkehrskontrolle.
Er hatte sich schon ein paar Jahre zuvor völlig zurückgezogen (1994 hatte man ihn aus der ETA ausgeschlossen) und eine neue Identität angenommen. Er lebte mit seiner Frau in Roumagne, einem abgelegenen Dorf.
Wenn er die sechs Jahre wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung abgesessen hat, wird er nach Spanien ausgeliefert, wo man ihn für sechzehn Morde und zwei Entführungen vor Gericht stellen wird.
La Pantera, Itxaso Pérez Gracia, das zweite Mitglied des Kommandos, war ebenfalls eine altgediente Terroristin. Sie galt als ungestüm und undiszipliniert, ballerte in der Gegend herum, wie es ihr gerade passte, und missachtete Befehle, wie ich am eigenen Leib erfahren sollte.
Körperlich war sie eine beeindruckende Frau: fast einen Meter achtzig groß, Modelfigur, grüne Katzenaugen und eine schwarze, lockige Mähne. Ihr Fahndungsfoto hing auf allen Flughäfen, Bahnhöfen und in öffentlichen Einrichtungen, doch sie kümmerte sich nicht darum, ihr Äußeres zu verändern, denn sie gefiel sich so.
Es heißt, sie war die Geliebte eines Polizisten, der ihr Informant war, bis sie ihn eines Tages tötete.
Sie sitzt ebenfalls in Frankreich im Gefängnis und wird in Kürze wegen der dreiundzwanzig Toten ausgeliefert, wegen der sie sich vor der spanischen Justiz verantworten muss.
Sie verstand sich gut mit mir. Sie war es, die mir den Spitznamen Antón oder Antontxu gab, den ich beibehalten habe. Sie nannte mich so, weil ich sie äußerlich an einen Freund mit diesem Namen erinnerte, den sie in Orio gehabt hatte.
In einer gewittrigen Nacht erschien sie nackt in meinem Zimmer. Sie erklärte mir, dass sie, egal wie und mit wem, vögeln müsste, wenn Blitze vom Himmel fielen. Trotz ihrer ungestümen und katzenhaften Sexualität schaffte sie es nicht, mich in Stimmung zu bringen.
Sie reagierte ausgesprochen sensibel, bevor sie die Tür hinter sich zuschlug.
»Fick dich doch selbst, Mann. Was für eine Verschwendung.«
Der Dritte war ein gewisser Txomin Oronoz alias Txordo, ein schweigsamer Navarreser aus Elizondo, der Sprengstoffexperte war. Er war süchtig nach kalimotxo, einem miesen Gebräu, dessen Erfindung dem durstigen, aus Bilbao stammenden Dichter Gabriel Aresti zugeschrieben wird.
Ich sah Txordo sterben, aber ich habe ihn nicht mehr als ein Dutzend Worte reden hören.
Im Juni kam der Befehl, ein Attentat zu verüben.
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