Skorpione im eigenen Saft
allerhand durchgemacht haben musste.
Bis Ende 1979 führte ich Beschattungen durch und sammelte Informationen, vor allem in San Sebastián. Meine Beobachtungen dienten zum Beispiel der Ermordung von General González Vallés, dem Stadtkommandanten, am 23. September.
Ich beruhigte mein nicht besonders schlechtes Gewissen und meine moralischen Skrupel damit, dass ich Onkel Patxis Vertrauen gewinnen musste, und damit, dass ich Berufssoldaten nie gemocht hatte.
Am 25. Oktober wurden mit einer Stimmenthaltung von 40 Prozent die Statuten für die Autonomie des Baskenlandes und Kataloniens verabschiedet.
Anfang 1980 schickte man mich über die Grenze, um in Bordeaux in einer konspirativen Wohnung der Organisation, mein Quartier aufzuschlagen. Ich blieb knapp einen Monat dort.
Wir lebten zu fünft in einer spartanisch eingerichteten Wohnung; drei Männer und zwei Frauen. Manchmal quartierten sich für eine Nacht Aktivisten ein, die auf der Durchreise waren. Einmal kamen zwei Typen, die drei Tage blieben, ohne die Wohnung je zu verlassen. Die Order war, dass nicht einmal wir erfahren sollten, wer sie waren. Während der ganzen Zeit, die sie bei uns verbrachten, nahmen sie ihre Kapuzen nicht ab, sahen fern und wechselten nicht einmal untereinander ein Wort. Es war surreal.
Wir, die fünf ständigen Bewohner, spielten abends Karten. Einer von den Typen hieß Gorka, er war ein Aktivist von Herri Batasuna, der überstürzt aus Amorebieta hatte fliehen müssen, nachdem die Polizei entdeckt hatte, dass in seiner Jagdhütte Waffen und Sprengsätze versteckt waren. Der andere war der bereits erwähnte Iñaki Zintzarri, der darauf wartete, dass man ihn einem anderen Kommando zuteilte. Er war der Einzige seines letzten Kommandos, der den Schüssen oder einer Verhaftung entkommen war, als man sie beim Versuch, eine Kaserne der Guardia Civil in die Luft zu sprengen, überrascht hatte.
Die Frauen hießen Ainhoa und Amaia. Ainhoa war die Freundin eines Mitglieds vom Kommando Barcelona und wartete auf dessen Rückkehr; nach einem Attentat bekam man einen kleinen Urlaub gewährt. Die andere war wie ich ein Neuling.
Iñaki Zintzarri, Piporro genannt, machte einen auf Macho und behandelte die beiden Frauen wie Dienstmädchen. Auch wenn sie für meine eigenwillige Vorliebe zu schlank waren, muss ich bekennen, dass beide ziemlich scharf aussahen, vor allem Amaia.
Piporro war ein Veteran und spielte sich als Herr im Haus auf. Er entschied, dass wir abends Chinchón um unsere Kleidungsstücke spielten, das heißt, wir spielten Strip-Chinchón. Vielleicht aus Respekt oder Angst vor ihrem Freund hielt er sich bei Ainhoa zurück, aber Amaia wurde von ihm ganz schön in die Mangel genommen. Und da das Mädchen auch noch ziemlich schlecht spielte, saß sie fast jedes Mal nackt da. Sie war ausgesprochen schamhaft und wäre am liebsten im Boden versunken. Piporro wurde rattenscharf, wenn er sie nackt sah.
Eines Abends, nachdem das Spiel wie üblich geendet hatte und wir bereits schlafen gegangen waren, legte sich der Ganove bei Amaia ins Bett (er teilte das Zimmer mit der anderen). Das Mädchen wurde fuchsteufelswild, verpasste ihm ein paar Ohrfeigen und warf ihn aus dem Zimmer. Piporro, der über den Korb und die Blamage wütend war, versicherte ihr am nächsten Tag, ohne sich um meine Anwesenheit zu kümmern, dass er über sie einen negativen Bericht an die Anführer schicken würde.
Mit den Runden Strip-Chinchón war es vorbei.
Da ich weder bei der französischen noch bei der spanischen Polizei erfasst war und ich die Atmosphäre in der Wohnung, die außerdem in Saint-Médard, einem Außenbezirk von Bordeaux lag, ziemlich unerträglich fand, ging ich häufig im Stadtzentrum spazieren.
Eines Nachmittags machte ich eine Runde über den Markt von Les Grandes Hommes (ich hatte bereits Gefallen daran gefunden, die Lebensmittelmärkte der Städte zu besuchen), der in der Nähe der lauten cours de L’Intendence liegt. Ich bekam Lust auf ein Croissant und betrat eine boulangerie. Da sah ich zum ersten Mal Françoise Lenteur, die Liebe meines Lebens.
Ihre heitere Schönheit, die Intelligenz, die ihre großen dunklen Augen unter schön geformten Brauen versprühten, ihr sinnlicher Mund mit der leicht hochgezogenen Oberlippe und die natürliche Eleganz ihrer Bewegungen beeindruckten mich.
Ich begriff, dass es die Liebe auf den ersten Blick wirklich gab.
Das Croissant unter den Arm geklemmt, starrte ich sie an wie ein Idiot, während sie mit dem
Weitere Kostenlose Bücher