Skorpione im eigenen Saft
das Lokal. Hinzu kam, dass diese Gegend von Bordeaux, der Quai Louis XVIII., langsam in Mode kam, und das Geschäft lief ausgezeichnet.
Mein erstes kulinarisches Wagnis wurde von meinem Lehrmeister lakonisch als une merde bezeichnet. Ich hatte meiner Kreation den angeberischen Namen Foie Scipio gegeben, zu Ehren von Scipio Metellus, des Römers, dem man die Erfindung der ersten Delikatesse zuschreibt, die aus gegrillter Leber, übergossen mit Portwein und bestrichen mit einer Feigenkonfitüre bestand (er stopfte die Gänse mit Feigen – auf lateinisch ficus, der Ursprung des Wortes Foie –, bis ihre Lebern wucherten).
Angesichts eines üppigen Salats aus Brunnenkresse, mit Knoblauch, Spargel und Stückchen von mariniertem Wildlachs, sagte er zu mir:
»Rokoko, überflüssig, unsinnig … Was hat dir dieser arme Lachs getan, dass du ihn mit der Gesellschaft von Brunnenkresse quälst? Und was die Salatsoße angeht, möchte ich die Worte von Alfred Suzanne zitieren, der gesagt hat, um einen Salat zu würzen, braucht man vier verschiedene Charaktere: einen verschwenderischen für das Öl, einen geizigen für den Essig, einen weisen für das Salz und einen verrückten, der ihn mischt.«
Das erste Gericht, das nicht in der Mülltonne landete und das ich teilweise als meine eigene Kreation betrachtete, war sehr schlicht, doch irgendwie bemerkenswert: ein Püree aus Linsen und Kastanien mit Croutons. Bestimmt erinnern Sie sich daran, dass es einmal auf der Karte unseres Lokals stand; es wurde in einer Cappuccinotasse serviert.
36
Ende des Sommers 1985 rief Onkel Patxi an. Am 25. September hatte er Geburtstag, und er wollte zur Feier des Tages Fréderic und mich in Bayonne zum Essen ausführen.
Diese Einladung war wie ein Schlag in die Magengrube, doch wagte ich es nicht, seinen Unmut zu wecken, indem ich ablehnte.
Wir verabredeten uns wie beim ersten Mal in der Bar Zelata in Petit Bayonne.
Ich nahm die Pistole mit.
Onkel Patxi erschien mit einem neuen Leibwächter, den er uns wie selbstverständlich als einen Freund vorstellte. Er war Fréderic gegenüber ausgesprochen charmant, pries ihre Schönheit und wiederholte immer wieder, wie sehr ich doch zu beneiden sei.
Wir standen im Kreis am Tresen und stießen mit einem weißen Château Carbonnieux auf den Geburtstag des ETA -Mitglieds an.
Zu dem Zeitpunkt waren wir die einzigen Gäste.
Als ich sie hereinkommen sah, brauchte ich eine Sekunde zu lang, um zu kapieren, was passieren würde; eine verhängnisvolle Sekunde zu lang.
Françoise und ich standen mit dem Rücken zum Eingang, obwohl ich in diesem Moment gerade nach draußen schaute; uns gegenüber standen Onkel Patxi und sein Beschützer, die damit beschäftigt waren, ihre Gläser zu leeren.
Es waren zwei Männer mit von Feinstrümpfen entstellten Gesichtszügen.
Der Leibwächter stellte sich schützend vor Tartalo, doch ihm blieb gerade noch Zeit, sein Glas loszulassen und seine Hand zum Achselhalfter zu führen.
Sie schossen schon am Eingang los, zwei lange Salven aus Uzi-Maschinenpistolen.
Ich umschlang Françoise und spürte wie ihr Körper unter den Einschüssen vibrierte; sie zitterte wie das eine Mal, als wir eng umschlungen auf dem Land spazieren gegangen waren, das Wetter umgeschlagen und sie furchtbar gefroren hatte.
Ich sah, wie die breite Brust des Leibwächters von einer dichten Reihe von Löchern zerfetzt wurde.
Ohne Françoise loszulassen, zog ich mit der Rechten meine Pistole aus dem Hosenbund, entsicherte sie und schoss ohne zu zielen in Richtung Tür; ich weiß nicht, wie oft, aber mindestens acht Mal. Ich erwischte einen der beiden, der weiter an Wände und Decke schoss, als er zu Boden ging. Der andere konnte entkommen.
Onkel Patxi nahm mir die Pistole ab, damit ich die reglose Françoise hochheben konnte. Als wir die Kneipe verließen und Onkel Patxi den am Boden liegenden verletzten Angreifer tötete, wusste ich mit dieser seltsamen Gewissheit, die uns die Intuition manchmal verleiht, dass sie tot war.
Mit Françoise in den Armen rannte ich meinem Onkel durch dass Gewirr von mittelalterlichen Straßen hinterher. Wir bogen in eine Straße ein und begegneten seinem Wagen, der von der etarra gelenkt wurde, die mich beim ersten Mal in das Haus gebracht hatte; sie wollte uns zu Hilfe eilen, nachdem sie die Schüsse gehört hatte. Ich setzte mich mit Françoise auf den Rücksitz (wieder ein verfluchter Rücksitz) und Patxi stieg vorn ein.
Wir brausten mit hoher Geschwindigkeit
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