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Skorpione im eigenen Saft

Skorpione im eigenen Saft

Titel: Skorpione im eigenen Saft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Bas
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wenigen Post, die das Kloster bekam; ein anderer legte ein Register der unsortierten Bibliothek an, in der es alle möglichen Bücher gab, die allerdings von geringem Wert waren (mein Beschützer verriet mir in diesem Fall, dass sie in Wirklichkeit mit dem von dem Fischkleintransporter gemeinsame Sache machten und nach und nach die gesamten Bände an eine antiquarische Buchhandlung in Vitoria verhökerten); ein anderer war noch verrückter als die Übrigen und schrieb hanebüchene und ketzerische theologische Abhandlungen, die er, kaum dass sie fertig gestellt waren, auf Anweisung des Abtes im Küchenherd verbrennen musste; und der Letzte, der früher Soldat gewesen war (Unteroffizier der Intendantur), kümmerte sich, bevor er den Talar anlegte, um den Garten und die Küche und zerfetzte kleine Vögel mit einem Mausergewehr, das ihm sein Vater, ein Veteran der División Azul, geschenkt hatte und das er hütete wie seinen Augapfel. Er war ein exzellenter Schütze.
    Das Essen war schlicht, aber schmackhaft und gut zubereitet. Aus den kleinen zerschossenen Vögelchen bereitete Bruder Marcial Lechuga, der ehemalige Unteroffizier, eine Fleischgemüsepastete, nach der man sich, wenn man von den Knochensplittern einmal absah, alle zehn Finger leckte.
    Wie es die Regeln des heiligen Benedikt vorschreiben, dessen buntes (und scheußliches) Standbild den Vorraum zum Schlafsaal schmückte, wurden sämtliche Mahlzeiten schweigend im Refektorium eingenommen.
    Entgegen allem, was man sich vorstellen könnte, wirkte dieser strenge Ritus angenehm entspannend und erlaubte es mir, dem nervtötenden Crescencio, der pausenlos auf mich einredete und mich nicht eine Sekunde in Ruhe ließ, zu entkommen.
    Weder mittags noch abends fehlte jemals die Dreiviertelliterflasche pro Nase mit dem roten Rioja aus der Provinz Álava, der von ordentlicher Qualität war und der von keinem verschmäht wurde. Jede Mahlzeit, das Frühstück eingeschlossen, wurde mit einer Art » Verdauungsschnaps « beendet, einem Gläschen sechzigprozentigem Orujo aus eigener Herstellung. So gingen die Mitglieder dieser Bruderschaft in ein konstantes Alkoholwölkchen gehüllt ihren Beschäftigungen nach (jeder in seiner Ecke des Klosters, wobei sie sich nur selten über den Weg liefen).
    Diese Trinkgewohnheiten waren der Startschuss für meine Laufbahn als Alkoholiker. Die großen Besäufnisse, die ich erwähnt hatte, waren bis dahin ganz selten gewesen.
    Wie Sie feststellen können, war dies im Prinzip kein schlechtes Leben für einen Misanthropen. Was es verdarb, waren die regelmäßigen und vielfältigen religiösen Riten der Stundengebete, in die die Mönche den Tag einteilten (Frühmette, Laudes, Prim, Terz, Sext, None, Vesper und Komplet), die in der romanischen Kirche vollzogen wurden und an denen alle teilnehmen mussten, außer sie waren vom Abt davon befreit. Es begann mit der Frühmette, die mitten in der Nacht stattfand; als Nächstes waren die Laudes dran, noch vor Sonnenaufgang; und als Letztes das Komplet, gegen zehn Uhr abends nach dem Abendessen. Nachdem ich mich zu meinem Glauben bekannt hatte, musste ich sie natürlich auch über mich ergehen lassen. Nicht so Crescencio, der sich hin und wieder davonstahl.
    In meinem ganzen Leben bin ich nicht so müde gewesen.
    Zu jener Jahreszeit, dem harten Winter von Álava, waren der Jesuit und ich die einzigen Gäste. Auf dem Hügel lag ein Meter Schnee, und die Straße, die hinaufführte, war häufig unpassierbar.
    Um mich dem aufdringlichen Crescencio ein wenig zu entziehen und die Langeweile zu vertreiben, bot ich meine Hilfe als Küchenjunge an. Doch musste ich dem Bruder Lechuga entweder unsympathisch sein oder er war lieber allein. Er war mir gegenüber abweisend und aggressiv, und abgesehen vom Tellerspülen durfte ich ihm weder zur Hand gehen noch konnte ich etwas von ih m l ernen. Nach ein paar Tagen ließ ich mich nicht mehr blicken.
    Crescencio Aizpurua war noch verrückter nach mir als ich angenommen hatte; oder wie man heute sagen würde, er war ziemlich scharf auf mich. Seine Äuglein funkelten unangenehm, wenn er bei mir war, und wie die Kameliendame seufzte er plötzlich auf und ließ es nicht bei flüchtigen körperlichen Berührungen, sondern nahm mich einen Augenblick bei der Hand, rieb meinen Schenkel oder legte mir den Arm um die Schulter.
    Bis er eines Tages zu weit ging.
    Es war ein sonniger Morgen, an dem der Schnee zu schmelzen begann und der Frühling die ersten Vorboten schickte.

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