Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
winzige Tabletten ein. Annika reichte ihr noch die Wasserflasche.
„Tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe.“ Mürrisch, ärgerlich. Annika merkte, wie sehr Sophia sich schämte, derartig die Contenance verloren zu haben.
„Ist okay.“
„Ich bin allergisch gegen Insektengift, weißt du? Ich habe nichts davon erwähnt, weil ich Angst hatte, dass sie mich dann nicht mitnehmen. Hör mal, ich bin nicht deine allerbeste Freundin. Werde es wohl auch niemals werden, aber ich möchte dich um eines bitten …“
Annika schaute Sophia nur stumm ins Gesicht.
„Wenn mich mal etwas beißt oder sticht, dann …“ sie nestelte wieder in ihrer Tasche herum. „Dann bekomme ich Atemnot, ein allergischer Schock. Hier, ein spezieller Aspirator, das muss ich dann innerhalb von zwei Minuten haben. So sieht das aus, schau, hier!“ Sie hielt Annika das kleine Gerät mit dem Mundstück hin. „Ich habe es immer bei mir. Ich möchte, dass du das weißt. Du musst mir dann helfen. Wirst du das für mich tun?“
„Viermal täglich oder was?“
„Nein, nur, wenn, wenn ich es nicht mehr selber tun kann. Wirst du es tun?“ Sophia bebte vor unterdrücktem Zorn, ihre Beherrschung bestand nur noch aus einem Fetzen Seidenpapier.
„Natürlich helfe ich dir. Wir sind Kolleginnen. Wir müssen uns deshalb nicht heiraten. Lass uns die Sache professionell betrachten. Wir machen hier unsere Arbeit, jede von uns hat was davon und wenn du Probleme mit dem Ungeziefer hast, zischen wir dem was, egal ob es acht oder zwei Beine hat.“
„Danke, Anni.“ Anni? Hört, hört!
„Keine Ursache.“
„Nacht, Anni.“
„Nacht.“
Müde schlüpfte Annika aus den Stiefeln, kuschelte sich in ihren Schlafsack und schloss die Augen. Das diffuse Dämmerlicht verhinderte, dass ihre Mitbewohnerin das entspannte Lächeln sah, das um ihre Mundwinkel spielte. Gute Nacht, süße kleine Sophia. Dumme kleine Sophia. Tote kleine Sophia …
Annika wachte noch einmal kurz auf, als ein tiefes Dröhnen, gefolgt vom Zischen mächtiger Druckluftbremsen die samtschwarze Nacht durchdrang. Sie tappte zum Zelteingang und spähte hinaus. Ein chromblitzender amerikanischer Truck rangierte unter den lautstarken Rufen der Helfer in einiger Entfernung der Zeltreihen. Er zog ein schneeweißes Wohnmobil mit zwei Klimaanlagen auf dem Dach und ausfahrbaren Räumen, ein sogenannter Slider, wie ihn auch manche Schausteller nutzten. Aus einem geländegängigen Van stiegen vier Mann mit breitkrempigen Cowboyhüten und begannen, Sichtblenden rund um das Mobil aufzubauen.
Katy kam um kurz vor zehn. Ein fernes Pochen am Himmel, ein rasch größer werdender dunkler Punkt, der sich in einen weißen Helikopter verwandelte, der mit singender Turbine, eine riesige rote Staubwolke aufwirbelnd, unmittelbar hinter dem monströsen Wohntruck landete.
Erst als sich auch der letzte Staub wieder gelegt hatte, ging die Schiebetür auf. Ein kleiner fetter Kerl in einem idiotischen weißen Dandy-Anzug sprang heraus wie ein übergewichtiger Basset. Ihm folgte ein braungebrannter Athlet mit einer roten Baseballmütze. Ein rotweiß gestreiftes T-Shirt umspannte einen mächtigen Brustkorb, ausgebleichte Jeans betonten die schmalen Hüften und die verspiegelte Sonnenbrille sandte blitzende Reflexe zu den wenigen Zuschauern.
„Das ist Charles Kessler“, erklärte Theo, „Schweinchen Dick daneben ist Simon Bufort Henstridge. Katys Anwalt und Charles’ Lebensgefährte.“ Theo weidete sich an den ungläubigen Gesichtern der Umstehenden.
Kessler ließ sich zwei schimmernde Aluminiumkoffer reichen und ging zielstrebig zu der wartenden Gruppe. Henstridge reichte Katy Rowland die Hand und mit geschmeidigen Bewegungen verließ der Star den Helikopter. Es war ein seltsamer Anblick, wie der kleine Anwalt den Kopf einzog und die zwei Köpfe größere Frau mit hocherhobenem Haupt unter den noch langsam kreisenden Rotorblättern hindurch schritt. Sie trug weite sandfarbene Hosen, eine ebensolche Bluse und ein weißes Kopftuch zu einer überdimensionalen Sonnenbrille. Eine moderne Grace Kelly.
„Schaut sie euch an, da wollt ihr hin, meine Damen“, murmelte Theo. Annika nickte unmerklich und Sophia drehte sich mit einem leisen Schnauben um.
Das Shooting war ernüchternd. Kessler und die Rowland arbeiteten in mehreren hundert Metern Entfernung, während Al und ein weiterer Fotograf von GEtTO Annika und Sophia im Sand herumscheuchten, auf Felsen klettern ließen und vor den verfallenen Mauern der
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