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Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)

Titel: Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Krämer
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sich.
    „Herr Vorsitzender, ich bitte darum, der Zeugin einige Fragen stellen zu dürfen.“ Richter Burgner nickte und machte eine einladende Handbewegung.
    „Fragen Sie, Herr Verteidiger.“ Glimm nickte knapp, nahm die Lesebrille ab und wandelte mit gesenktem Blick in Richtung des Zeugenstandes. Etwa einen Meter vor dem unsicher umherblickenden Mädchen blieb er stehen. Er schürzte die Lippen, führte einen Bügel der Brille an sein Kinn und schaute Nadja Beck ernst an. Ungeduldiges Scharren und Murmeln aus dem Zuschauerraum kam auf. Der Richter holte Luft.
    „Herr Verteidiger …“, eine Handbewegung von Glimm ließ ihn verstummen. Normalerweise war das ein Affront, aber Burgner erteilte dem Anwalt keinen Verweis. Man kannte sich. Inklusive aller möglichen Macken.
    „Frau Beck“, Glimm sprach leise, fast zärtlich. Die unsteten Augen blieben stehen, Die Blicke trafen sich. „Sie erheben schwere Vorwürfe gegen meinen Mandanten Gernot Marks.“ Glimm machte eine Pause und registrierte zufrieden, wie das Mädchen sichtlich widerstrebend zur Anklagebank schaute. Sie war noch einen Tick blasser geworden. Ihr Teint erinnerte Glimm an handgezupften Mozzarella aus Domodossola.
    „Ist dieser Mann dort“, Glimm hob die Stimme und deutete auf Marks, ohne die Augen von dem verhärmten Gesicht des Mädchens zu nehmen, „der Mann, der Sie am 21. Mai 2006 entführte und Sie bis zu ihrer Flucht am 5. Juli in seiner Gewalt hatte?“ Nadja Beck schluckte und starrte den Anwalt aus fiebrig glänzenden Augen an.
    „Bitte beantworten Sie die Frage, Frau Beck“, ermahnte sie der Richter mit sanfter Stimme.
    „Ja.“ Gehaucht, kaum wahrnehmbar.
    „Ich kann Sie nicht verstehen! Würden Sie bitte etwas lauter sprechen?“, trompetete Glimm und registrierte befriedigt, wie das schmale Mädchen noch weiter in sich zusammensank.
    „Einspruch! Der Verteidiger versucht die Zeugin einzuschüchtern!“ Virtuelle Messer kamen aus der Richtung, in der die Staatsanwältin saß, geflogen.
    „Abgewiesen! Die Zeugin ist auf eigenen Wunsch hier!“ Der Richter hatte mit ruhiger Stimme gesprochen, jedoch grollte tief im Hintergrund dunkle Missbilligung. Richter mochten keine Überraschungsgäste. Gustav-Ephraim Burgner machte da keine Ausnahme.
    Stephan Glimm hatte sich währenddessen umgedreht, hob beide Arme in die Waagrechte, so dass er aussah wie die Christusstatue auf dem Corcovado. Etwas übergewichtig wohl, aber genauso bereit, allen Schmerz und alles Elend dieser Welt auf sich zu laden. Seine Robe klaffte weit auseinander und unterstrich den Auftritt, den Insider gern in selbstgestricktem Latein als „Vulva Justitiae“ bezeichneten. Glimms Gesichtsausdruck glich dem eines Säuglings, dem man sein Fläschchen vorenthält. Er wandte sich wieder der Zeugin zu. „Ich wiederhole meine Frage noch einmal: Ist das dieser Mann dort?“
    Was er da tat, gefiel ihm ganz und gar nicht. Vor ihm saß schließlich das Opfer. Ein Mensch, ein junges Mädchen, gerade erst Frau, wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens traumatisiert.
    Doch Nadja Beck musste hier weg. So schnell wie möglich. Schlimm genug, dass die Arkadi sie überhaupt angeschleppt hatte.
    Stephan Glimm holte zum nächsten Schlag aus: „Frau Beck, beschreiben Sie dem Gericht den letzten Tag vor Ihrer Flucht.“ Das Mädchen starrte ihn an. Glimms Augen bohrten sich in die ihren. Er war tatsächlich ein Schwein. Das war ihm noch nie so klar gewesen wie jetzt. Doch das makabre Monopoly bestrafte Fairness und Rücksicht stets mit Bankrott. Keine Hotels auf Schlossallee und Parkstraße. Gehe in das Gefängnis … Nadja Beck schwieg.
    Glimm lud nach. „Erzählen Sie dem Gericht von den brutalen Praktiken meines Mandanten. Berichten Sie von den Kabelbindern, mit denen er sie fesselte, von den Vergewaltigungen mehrmals am Tag. Stündlich fast …“
    „Einspruch!“
    Zu spät. Nadja Beck schlug die Hände vors Gesicht, ihre Schultern zuckten, sie drohte vom Stuhl zu rutschen. Ihre Mutter drängte den Wachtmeister grob zur Seite und stürzte ihrer Tochter zu Hilfe. Ein Tumult entstand, in dem das „Stattgegeben!“ des Richters beinahe unterging.
    Mit grimmiger Miene winkte Richter Burgner den Verteidiger zu sich wie einen Schulbuben, den der Rektor beim Rauchen ertappt hatte. Äußerlich resigniert wirkend, innerlich breit grinsend, steckte Glimm die leise aber intensiv vorgebrachte Ermahnung weg. Aus dem Augenwinkel sah er, wie das hemmungslos weinende Mädchen, gestützt auf

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