Skorpionin: Odenwal - Thriller (German Edition)
weltweit schützen zu lassen. Einer der GEtTO-Anwälte kaufte dem Fallingbosteler Society-Report sämtliche Rechte der Fabel-Biografie für lächerliche fünfundachtzigtausend Mark ab und eine Werbeagentur in Los Angeles erhielt den Auftrag, eine globale Werbestrategie für GEtTOs neuesten Star zu entwickeln.
2006
Er war fort. Sie hatte die Geräusche genauestens verfolgt. Seine Schritte in den klobigen Arbeitsstiefeln, das federnde Tapsen großer Hundetatzen, das Reiben und Schleifen von Riegeln und das Rasseln von Schlüsseln. Dann, weiter weg, der hohle Klang, als er über den Steg an Land ging. Ein kurzes Kommando an den Hund, das Öffnen und Schließen der Heckklappe des alten Kombis, das Zuschlagen der Fahrertür und das vom Quietschen eines maroden Keilriemens begleitete Anfahren.
Stille. Dunkelheit. Ihr eigenes Atmen übertönte das leise Glucksen des Flusses. Sie lag stocksteif auf dem Bett. Ihr Unterleib brannte wie Feuer. Der ledrige Geruch seines Spermas mischte sich mit dem ranzigen Schweißaroma und den Ausdünstungen übermäßigen Alkoholkonsums. Sie betastete ihre linke Brust. Der blutige Riss, gerade erst frisch verschorft, war unter seinen hornigrauen, groben Händen mit den schwarz geränderten Fingernägeln wieder aufgebrochen. Sie fühlte feuchtes Blut, roch den typischen Kupfergeruch.
Wimmernd vor Schmerzen versuchte sie sich aufzurichten, scheiterte einige Male, bis sie es schließlich fertig brachte, ihre Beine über die Bettkante zu lavieren. Erschöpft sank sie zusammen. Voller Ekel schob sie das durchnässte Laken von sich, erhob sich schwankend und schleppte sich zum Waschbecken. Das gnadenlose weiße Licht einer vergitterten Industrie-Neonlampe erleuchtete ihr Gefängnis. Der Schalter dazu befand sich auf der anderen Seite der Tür. Unerreichbar. Ihr Peiniger bestimmte damit über Nacht und Tag in ihrer winzigen schmutzigen Welt. Sie wagte nicht, an sich herabzuschauen. Etwas floss aus ihr heraus. Die Wunde an ihrem kleinen Busen pochte. Überwältigt von Schmerz, Abscheu und Hoffnungslosigkeit stützte sie sich auf das schmutzstarrende Waschbecken und ließ ihren Tränen freien Lauf.
Sie würde hier sterben. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. Sie war ihm nicht mehr hübsch genug. Nicht mehr jung genug. Heute war ihr 16. Geburtstag. Doch das wusste sie nicht. Ihr Zeitgefühl war bereits vor Wochen verloren gegangen. Sie lebte nur noch im Rhythmus seiner Besuche. Brannte die grelle Neonröhre, so war dies ihr Tag. Voll bangem Warten, voller Demütigungen, voller Schmerzen. War das Licht aus, schlief sie. Dumpf, traumlos, zwischendurch immer wieder von brennendem Schmerz aufschreckend. Er gab ihr oft noch etwas Süßes zu trinken, bevor er ging. Da war etwas drin. Etwas, das sie müde und schwer machte. Sie trank es ohne Widerspruch. Einmal hatte sie es ausgespuckt. Das würde sie nie wieder tun. Die Kissen, die stinkende Decke. Alles war voller Blut gewesen.
„Wasch dich, du Sau!“, hatte er sie angebrüllt und ihr ein nach Schimmel riechendes Handtuch hingeworfen. Auf dem Rand des Waschbeckens stand ein Plastikbecher mit Waschpulver. Der halb blinde Spiegel zeigte ihr glücklicherweise nur ein unscharfes Bild. Das schmale ausgezehrte Gesicht, umrahmt von zottigen dunklen Haaren, die aufgesprungenen Lippen, die verschwollenen Augen. Sie war einmal ein schönes Mädchen gewesen, wunderschön. Feingliedrig, zart, mit ausdrucksvollen glänzenden Augen. Lange her - viel zu lange - Wochen …
Sie hockte sich über den Eimer, der in der Ecke der winzigen Kabine stand. Der Gestank war fürchterlich. Sie kämpfte gegen das Würgen in ihrer Kehle an, zwang sich mit letzter Willenskraft dazu, sich notdürftig zu säubern und trank mit kleinen Schlucken aus der großen Plastikflasche.
Sie war nackt. Seit er sie in diesen muffigen, nach Teer, Öl und Farbe stinkenden Raum gestoßen hatte. So lange war sie schon hier unten eingesperrt. Nur ein einziges Mal hatte er ihr Kleidung auf den Boden geworfen und „Anziehen!“ gebrüllt. Es war tief in der Nacht. Er hatte ihr den Arm auf den Rücken gedreht und sie vor sich her getrieben. Da hatte sie das Schiff, auf dem er lebte, zum ersten Mal gesehen. Als er sie damals hergebracht hatte, befand sie sich in einer Kiste.
Das Schiff war ein alter, stillgelegter Frachtkahn, der am Ufer eines ihr unbekannten Flusses vertäut war. Ein ehemaliger Campingplatz, auf dem zwei verrottete Wohnwagen standen, befand sich direkt neben dem Liegeplatz. Über
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