Skulduggery Pleasant -1- Der Gentleman mit der Feuerhand
ja sehen.“
„Ja, ja, spielen das Spiel.“
Tanith schaute verstohlen auf ihre Uhr und trat einen Schritt zurück, als der Troll heraufgeflitzt kam. Zwei Minuten vor Mitternacht. Er war klein, reichte ihr nur bis zur Hüfte, und er hatte dünne Arme und Beine und einen aufgedunsenen Bauch. Seine Fingernägel waren dick und spitz. Er grinste erwartungsvoll, blieb aber auf Abstand.
Sie ließ ihren Mantel ein wenig aufspringen und lächelte ihn an. „Du bist ein hübscher Kerl. Bist du der einzige Troll in London?“
„Der einzige“, erwiderte er stolz. „Jetzt spielen wir! Errate den Namen, wirst nicht gefressen. Hast falsch geraten, ist's das gewesen. Rate, rate, rate!“
„Dann lass mich mal überlegen“, sagte die Frau und trat einen Schritt näher. Der Troll kniff die Augen zusammen und wich zum Rand der Brücke zurück. Sie blieb stehen. „Heißt du Bollohollo?“
Der Troll brüllte vor Lachen. „Nein, nein, nicht Bollohollo! Noch zwei Mal raten, nur noch zwei Mal!“
„Das ist ja schwieriger, als ich dachte“, sagte sie. „Du bist ziemlich gut in dem Spiel, stimmt's?“
„Der Beste! Der Allerbeste!“
„Wahrscheinlich haben noch nicht viele Leute deinen Namen richtig erraten, was?“
„Noch keiner!“ Der Troll kicherte meckernd. „Rate, rate!“
„Heißt du ... Ferninabop Caprookie?“
Der Troll riss die Arme hoch und jubelte und hüpfte herum, und Tanith rückte ein wenig näher.
„Nicht Ferninabop und nicht Caprookie!“
„Hm.“ Tanith machte ein sorgenvolles Gesicht. „Ich bin wohl doch nicht so gut, was?“
„Wirst aufgefressen!“
„Frisst du viele Passanten?“
„Ja, ja, lecker, lecker.“
„Du verschlingst sie mit Haut und Haar, ja? Sie schreien und weinen und laufen weg -“
„Aber ich fang sie ein!“ Der Troll kicherte. „Schlag Mitternacht bin ich groß und stark und schnell, dann verschling ich sie, verschling sie mit Haut und Haar! Sie wehren sich und strampeln und kitzeln mich im Bauch.“
Sie nickte. „Du bringst also viele Leute um, hab ich recht?“
Der Troll nickte und leckte sich die Lippen.
„Nun gut“, sagte sie, „meine letzte Chance. Heißt du vielleicht ... Rumpelstilzchen?“
Der Troll musste so lachen, dass er platt auf den Rücken fiel. „Nein!“, brachte er zwischen zwei Lachsalven heraus. „Das sagen sie alle! Und alle sagen das Falsche!“
Tanith machte noch einen Schritt auf ihn zu, und ihr Lächeln verschwand. Sie zog das Schwert unter ihrem Mantel hervor, doch der Troll sah es gerade noch rechtzeitig und rollte mit einem Aufschrei zur Seite.
Tanith fluchte und schwang das Schwert erneut, doch der Troll duckte sich darunter weg. Sie wirbelte herum und trat dabei nach ihm, sodass er der Länge nach hinfiel. Sofort rappelte er sich wieder auf und zischte und spuckte, als sie näher kam. Und dann tönte Big Ben durch die warme Nachtluft Londons. Mitternacht.
Tanith ging zum Angriff über, doch es war zu spät. Der Troll zog den Kopf ein und sprang zurück. Er knurrte und begann zu wachsen.
„Mist“, sagte Tanith leise.
An seinen Armen und Beinen traten Muskelpakete hervor, und die Haut spannte sich, als würde sie jeden Moment aufplatzen.
Sie ging erneut auf ihn zu, doch er machte einen Salto rückwärts, und als er landete, war er so groß wie sie. Seine Brust wurde breiter und sein Nacken dicker. Er hörte nicht auf zu wachsen und hörte nicht auf zu fauchen. Dann knackten seine Knochen, und das Wachsen hörte auf. Er war jetzt fast doppelt so groß wie sie.
Mit einem ausgewachsenen Troll hatte sie es eigentlich nicht aufnehmen wollen. Ihr Plan hatte anders ausgesehen. Mit gesenktem Schwert umrundete sie die Kreatur.
„Du hast geschummelt“, sagte der Troll. Seine Stimme war jetzt tief und kehlig.
„Du warst ein sehr böser Junge“, sagte sie.
„Verschlinge dich, verschlinge dich mit Haut und Haar, ja, ja.“
Tanith lächelte ihn an. „Dann komm und versuch's, wenn du glaubst, du bist stark genug ...“
Mit einem Aufschrei stürzte sich der Troll auf sie. Er war schnell, trotz seiner Größe, doch Tanith war bereit. Sie wich aus und schlüpfte hinter ihn. Ihr Schwert schlitzte seinen Oberschenkel auf. Er zischte vor Schmerz, holte mit seiner gewaltigen Faust aus und traf sie in den Rücken. Sie ging schwer zu Boden. Er wollte den Fuß auf sie stellen, doch sie rollte sich weg, konnte sich auf ein Knie stützen, das Schwert auf Schulterhöhe bringen und es ihm in den Arm stechen.
Der Troll wankte
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