Skulduggery Pleasant 6 - Passage der Totenbeschwörer
würde.«
Walküre drehte sich zu ihr um. »Keine Bange, das geht vorbei.«
»Haben meine Augen wirklich rot geleuchtet?«
»Ja.«
Melancholia nickte. »Cool.«
Nachdem sie weitere zehn Minuten gegangen waren, gab Melancholisas Bein nach und sie fiel gegen die Tunnelwand.
»Ich kann nicht mehr weiter. Es geht einfach nicht.« Walküre runzelte die Stirn. »Sicher?«
»Natürlich. Verdammt sicher.«
Melancholia war bleich, sie schwitzte und ihre Hände zitterten. Walküre holte ein Blatt aus ihrer Jackentasche und gab es ihr. »Kau das. Es betäubt den Schmerz.« Melancholia starrte sie an. »Du hast das dabei gehabt? Du hast das die ganze Zeit in deiner Tasche gehabt und gibst es mir erst jetzt?«
»Ich habe nur noch das eine und für den ganzen Weg hätte es nicht gereicht.«
»Ich hatte wahnsinnige Schmerzen!«
»Dann kau jetzt.«
Melancholia stopfte sich das Blatt in den Mund und lehnte sich schwankend wieder gegen die Wand. Walküre setzte sich auf einen Steinhaufen.
»Ich hasse dich«, sagte Melancholia und kaute weiter. »Ich weiß.«
»Ich habe noch nie jemanden so gehasst.«
»Wirkt es schon?«
»Ja, aber ich hasse dich trotzdem.«
»Gerne.« Der Steinhaufen unter Walküre bewegte sich. Als sie sich mit der Hand abstützen wollte, fiel er in sich zusammen und sie rutschte auf den Boden. Ihr erster Impuls war zu lachen, doch die Steine kletterten an ihr hinauf, ein schnatternder Haufen aus Beinen und Zähnen. Als sie drei davon von ihrem Brustkorb fegte, merkte sie, dass sie sich bewegte. Die Steine trugen sie weg. Sie versuchte Halt zu finden, auf die Füße zu kommen, doch es gab nichts, an dem sie sich hätte festhalten können.
»Hilfe!«, rief sie, doch Melancholia stand einfach nur mit offenem Mund da. »Hilfe!«
Walküre drehte sich so, dass sie sehen konnte, wohin die Steine sie brachten. Außer der Tunnelwand und einem weiteren, an der Wand aufgeschichteten Steinhaufen konnte sie nichts erkennen. Auch dieser Haufen wurde lebendig. Er teilte sich, ein dunkles Loch kam zum Vorschein und sie trugen sie hinein. Sie schnippte mit den Fingern und erzeugte eine Flamme. Über ihr war glatter Fels. Die Kreaturen ließen sich nicht beeindrucken. Sie sah unter den Steinen nur Füße und Zähne, keine Augen. Wahrscheinlich brauchten sie hier unten keine Augen.
Der Tunnel verengte sich und mit einem Schlag setzte ihre Klaustrophobie ein. Sie behielt die Arme angewinkelt, die Hände lagen auf der Brust. Mit den Schultern streifte sie die Tunnelwände. Plötzlich durchzuckte sie die Angst, dass sie hier drin stecken bleiben und sich nicht mehr rühren könnte. Sie ließ die Flamme erlöschen und schlug die Hände vors Gesicht. Sie schwitzte und ihr Atem ging schnell. Sie war einer Panik nah. Es ging jetzt langsamer voran. Die Kreaturen hatten Mühe, sie durchzuschleusen. Ihre Schultern drückten gegen die Tunnelwände. Sie musste die Arme gestreckt an den Seiten anlegen. Es war zu eng. Der Durchgang war zu eng. Zu eng und zu niedrig. Sie wollte schreien, um sich schlagen und treten, doch dazu war kein Platz. Sie musste sich zusammenreißen. Unbedingt. Sie musste ruhig bleiben. Durfte die Kontrolle nicht verlieren.
Die Kreaturen waren überall. Sie hörte nur ihre trippelnden Schritte und ihren eigenen Atem. Ein anderer Laut entfuhr ihr. Ein Schluchzen. Weinte sie? Nein, noch nicht. Aber sie stand kurz davor.
»Bitte«, flüsterte sie. »Bitte, bitte, bitte, bitte.«
Die Kreaturen gaben ihr noch einmal einen kräftigen Schubs. Ihr Kopf stieß schmerzhaft an die Tunneldecke, ihre Schultern verkeilten sich und dann ging gar nichts mehr.
Sie steckte fest.
Die Arme waren eingeklemmt. Sie konnte die Hände öffnen und wieder schließen und die Füße ein paar Zentimeter nach vom bewegen, aber das war auch alles.
Walküre öffnete die Augen. Um sie herum herrschte vollkommene Dunkelheit. Sie hörte, wie die Kreaturen nach beiden Seiten weghuschten. Das bedeutete, dass der Tunnel sich wieder verbreiterte. Sie musste nur ihre Schultern durch dieses letzte enge Stück zwängen, dann hatte sie wieder Raum.
Sie ruckelte herum. Die Knie zu beugen war schwierig, aber sie versuchte, mit dem Fuß einen Halt zu finden, damit sie sich abstoßen konnte. Ihre Finger schrammten über den Fels. Sie ruckelte so gut es ging mit den Hüften.
Aber ihre Schultern bewegten sich keinen Millimeter. Sie konnte machen, was sie wollte, sie kam nicht weiter voran.
Sie schloss die Augen und zwang sich, tief durchzuatmen.
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