SLAM (German Edition)
geschaffen? Fühlen Sie sich wie das Produkt einer Maschine an , Karim?«
»Ich denke, das Ganze ist ein Werk der Biotechnologie «, wich Karim aus.
»Ja, das klingt plausibel, nicht wahr? Bloß dass niemand weiß, wie diese grandiose Biotechnologie funktioniert und wo sie stattfindet. Und, ach ja: Wie kommen die Babys in die Gebirgshöhle?«
»Sie schwadronieren über Fragen, auf die es keine Antwort en gibt. Was wollen Sie von mir? Wer sind Sie?«
Der Blonde fuhr sich erneut mit dem Ärme l über die Stirn. Der Mann, der Karim all die Fragen gestellt hatte, breitete die Arme au s. »Wir sind die › Wahren Moslems ‹ ! Wir stehen für eine bessere Gesellschaftsform, wollen nicht länger wie Kinder behandelt werden , nicht länger wie durch Zauberhand von einer un sichtbaren Macht geleitet sein . Wir wollen aus diesen Goldener-Käfig-Verhältnissen ausbrechen und ein selbstbestimmtes, islamisches Leben führen! Anfangs waren wir nur eine kleine Gruppe, doch inzwischen gibt es viele von uns.« Er ging vor Karim in die Hocke. »Wir wollen nichts Böses, nur das, was uns zusteht, mein Freund. Entscheidungsfreiheit, Verantwortung, einen Sinn für unser Dasein. Und wir wollen wissen, wie unsere Welt funktioniert. Haben Sie sich schon einmal mit älterer Technologie beschäftigt , Karim ?«
Karim drückte sich an die Lehne seines Stuhls und blickte den anderen kritisch an. »Warum führen wir dieses Gespräch, mein Herr? Wollen Sie mich etwa für I hre ›Wahren Moslems‹ rekrutieren?«
»Haben Sie, Karim? Haben Sie sich mit älterer Technologie beschäftigt oder nicht ?«
Karim sah keinen Schaden, darin, die Frage zu bejahen, also nickte er.
»Haben Sie je etwas von dem System HAVVA2 gehört?«
»Natürlich. Es wird im Biologieunterricht an jeder Schule erklärt. Man entwickelte es vor ungefähr 300 Jahren für das Gesundheitssystem. Es hat die sogenannte Ärzteschaft und die Forschung in der Humanmedizin und Pharmazie ersetzt.«
»So viel und nicht mehr widmet der Schulunterricht HAVVA2«, sagte der andere. Hinter ihm begann der Blonde seltsam zu schwanken. Er hielt den Kopf gesenkt. Das blaue Leuchten fing sich in den Schweißtropfen auf seiner Stirn. Karim schien der Einzige zu sein, der dessen Unwohlsein bemerkte, denn der and ere Mann sprach unbeirrt weiter. »Aber es ist doch irgendwie merkwürdig, dass ein so revolutionäres System lediglich eine Fußnote in der Geschichte ist und bis auf einen kurzen Anriss in der Schule in der Öffentlichkeit keine weitere Erwähnung findet.«
Plötzlich stöhnte der Blonde auf und krümmte sich. Jetzt sahen ihn alle an.
»Was fehlt dir , Jamil ?«, fragte der, der ihm am nächsten stand, besorgt. Er legte dem Blonden eine Hand auf die Schulter. Im selben Augenblick stieß der einen Schrei aus, der wie eine Mischung aus Schmerz und Entsetzen klang. Die Männer wichen von ihm zurück.
»Bei Allah! Was hat er?«
Karim sprang auf und war mit zwei schnellen Schritten bei ihm. Er schob ihn auf seinen Stuhl. Ein Zittern erfasste Jamil, steigerte sich zu einem Krampfanfall. Zwei seiner Gefährten packten ihn bei den Schultern. Durch zusammengeb issene Zähne stieß er unheimlich klingende Knurrlaute aus, wie Karim sie nie zuvor bei einem Menschen gehört hatte. Das Knurren ging in ein Heulen über, die Krämpfe wurden zunehmend heftiger , das Fleisch seiner Arme und Hände quoll auf, sein Gesicht wurde dunkelrot und aufgedunsen wie ein Ballon. E s war, als würde er in den nächsten Augenblicken platzen.
Doch p lötzlich ließen die Krämpfe nach. Der grotesk aufgeplusterte Mann ließ den Kopf sinken. Schweiß perlte aus seinem Haar. Die Männer, die ihn gehalten hatten, ließen ihn los. Karim betrachtete ihn und erschrak. Dort, wo das Haar sein Gesicht nicht verdeckte, glotzte ein Auge hervor, so verdreht und glühend , dass es Karim regelrecht fixierte. Er hob die Hand und deutete mit offenem Mund auf Jamil, während einer seiner Kameraden auf den Blonden zutrat und sagte: »Allah sei Dank, ich dachte schon …« Weiter kam er nicht. Ein neuerliches Knurren, noch l auter, noch tiefer als das vorangegangene, schnitt ihm das Wort ab. Blut tropfte mit einem Mal aus den blonden Haaren, und ein Reißen, geradeso, als zerfetze jemand eine dicke Folie, mischte sich in das unheimliche Geräusch.
Jamils Kopf schleuderte nach hinten, schwoll weiter an , und das glotzende Auge schien aus seiner Höhle springen zu wollen. Di e Männer wichen zurück. Über der Stirn des
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