SLAM (German Edition)
umso dominanter wurde der Schredder. I n einem endlosen Strom ergossen sich die Windeln in sei nen Schlund, wo sie unter beständigem Schmatzen zerkleinert wurden. Über seiner Öffnung f lirrten Staub und Windelfetzen.
Entmutigt blieb Karim stehen. Hier gab es nichts, was ihm auf seiner Suche hätte helfen können . E in Hauch von Ärger stieg in ihm auf. Er hatte sich fast den Hals gebrochen, war über und über mit Scheiße bedeckt , und das alles für eine Halle mit Maschinen? Ratlos blickte er sich um auf der Suche nach einem Ausgang aus diesem Enddarm der SLAM-Welt. Zu seiner Linken erkannte er an der Hallenwand einen Tunnel, aus dem weitere Loren in die Halle schwebten. Spontan steuerte er darauf zu.
Die Wände hier waren ebenso glatt wie in den Gebäuden, die er kannte , nur fehlte der polierte Glanz. A lles war stumpf und abgenutzt, millionenfach berührt und abgeschabt. Die drückende Luft stand bewegungslos im Schacht, der tief in den Stein führte . Bei genauerem Hinsehen bemerkte Karim tiefe Rillen in den Wänden, an deren Rändern Spuren von abgekratztem Metall. Je weiter er in den Tunnel eindrang, desto weniger Licht aus der Halle erhellte seinen Weg , und die Konturen verschwammen in einem diffusen B raungrau. Sand und Geröll knirschten unter s einen Schuhen. Hier schwebten nur noch vereinzelt Loren an ihm vorbei. Er e rkannte nun beschädigte Exemplare, die auf dem Boden lagen und von einer Staubschicht überzogen waren. I n den immer dunkler werdenden Eingeweiden des Geburtszentrums schlummerten sie dem Moment entgegen, in dem sie selber recycelt würden , um wieder ein funktionierendes Teil der unterirdischen Maschinerie zu sein.
Karim wanderte immer weiter. Bisweilen glich es einer Meditation. Bald wusste er nicht mehr , wie lange er schon in diesem Dämmerlic ht vorangestolpert war. Er war erschöpft und durstig, und spürte jede Faser seines Körpers, jede Prellung, jeden blauen Fleck, den er sich bei seinem waghalsigen Höllenritt zugezogen ha tte. Er musste eine Pause einlegen , ausruhen, nachdenken, wie es nun weitergehen sollte.
Er schöpft lehnte er sich an eine Wand und ließ sich auf den Boden sinken. Sein Kopf sank auf seine angezogenen Knie, und für einen Moment schloss er die Augen. Das Ch aos in seinem Kopf ließ sich kaum unterdrücken, doch den erlösenden Halbschlaf, den sein Körper ihm aufzwang, konnte es nicht verhindern. Sein Geist fiel ins lichtlose Blau einer sternenklaren Nacht. Geräusche und Gerüche verschwammen, wurden zu einem gedämpften Hintergrund und lösten sich auf. Viel zu kurz hielt dieser gnadenreiche Moment an, dann drängten immer mehr schemenhafte Ges talten in das erholsame Nichts.
Zunächst war es nur das Gefühl nackter Haut auf seiner eigenen, dann schob sich Soli s Gesicht in sein Blickfeld. E r kam lächelnd auf i hn zu, seinen Sohn im Arm. Sein Mund wurde voller, seine Lippen teilten sich , und eine Schlange erschien daraus, die am Rand des Lippenrots entlangzüngelte. Er streckte seine Hand nach ihm aus, hielt ein Tuch, mit dem er ihm aufreizend zuwinkte, sein Körper veränderte sich, sein Becken wurde breiter, seine Taille zog sich zusammen , und an der Stelle, wo sonst seine spärliche Brustbehaarung war, wölbten sich zwei Kugeln in seine m geöffneten Kimono.
Keuchend kam Karim zu sich und presste die Daumenballen auf seine Augen. Er lehnte seinen Kopf an die kühle Wand und schluckte mehrmals, aber sein Mund blieb trocken. Mühsam erhob er sich und trottete weiter in d en Tunnel hinein. Die Stille hier unten hatte etwas V ollkommen es , und nur ein allgegenwärtiges, leichtes Vibrieren war zu spüren. Er machte sich Sorgen, dass es endlos so weitergehen könnte. N irgendwo ein Ausgang, einfach nur immer tiefer in den Berg hinein . Irgendwann könnte dieser Gang zu Ende sein und er stünde vor eine r Mauer, ein em rohen, unbehauenen Stück Fels . Dann wäre er hier unten nicht nur alleine, sondern völlig verloren. Es führte kein Weg nach oben, kein Weg zurück. Die Angst davor ließ ihn schneller ausschreiten , und obwohl er sich vorgenommen hatte, sparsam mit seinen Kräften umzugehen. Vor ihm vollzog der Tunnel eine Kurve , und als Karim ihr folgte, sah er es zum ersten Mal seit Stun den in der Ferne heller werden.
9
D ie anfängliche Freude darüber, dass er Licht sah , wich sofort der Angst vor dem, was er dort vorfinden würde. Seine Füße wollten schnell in das Hell e , zum Leben, zu Menschen und vielleicht auch zu einem
Weitere Kostenlose Bücher