SLAM (German Edition)
Knochen brach. Vorsichtig hob er den Kopf und stützte sich auf seinen Armen ab. Der Geruch traf ihn wie ein erneuter Schlag vor den Kopf. Er war durchdringend , füllte jede Pore, legte sich auf Karims Haut, drang in seinen Mund und belegte seine Zunge mit einem s chleimigen, widerwärtigen Geschmack. Die Aufregung, die er noch vor wenigen Sekunden beim Sturz durch den Schacht empfunden hat te, wich augenblicklich einer heftigen Übelkeit. E r unterdrückte ein Würgen und setzte sich auf , um zu erfahren, woher der Gestank kam.
Er thronte auf Abertausenden von Windeln, alle benutzt! Z wischen ihnen ragten an der einen oder andere Stelle Teile der Wiegen heraus, ein gigantischer, stinkender, stacheliger Berg , und er saß ziemlich genau auf dessen Spitze. Seine Kleidung war über und über mit dem In halt der Windeln bedeckt. Hellbrauner Schleim verklebte wie ein Film jedes Stück Haut, das nicht durch sein seinen Mantel geschützt gewesen war. Zögerlich betastete er sein Gesicht und zuckte zurück, als er auch hier Spuren der breiigen Masse fand.
E r sprang a ngeekelt auf , nur um im selben Moment mit einem Bein tief er in den Windelberg einzusinken. Dann kippte er nach vorne und purzelt e haltlos nach unten. Im Bauch des Windelhaufens angelangt, hielt er für einen Moment stöhnend inne und verfluchte sein Schicksal. Schließlich überwand er sich, wühlte sich mühsam wieder hoch, richtete sich mit schmerzenden Gliedern auf und blickte nach oben. Aus dem Ende des Schachts fielen nach wie vor unablässig die Überbleibsel aus der Oberwelt, kollerten durcheinander und bl ieben dann auf diesem künstlichen Gebirge liegen. An vielen Stell en quoll die Scheiße über den darunter liegenden Müll, formte hier eine Felsnase, dort eine Klippe und ergoss sich wie ein Lavastrom über eine Bergflanke. Karim musste erneut würgen. D er säuerliche Gestank zog ihm tief in Lungen und Gehirn, setzte sich dort fest. E r würde ihn nie wieder vergessen.
In seine n Hosentasche n suchte er verzweifelt nach etwas, womit er sich säubern konnte , und fand nur das Taschentuch, mit dem all es angefangen hatte . Nach all den Ereignissen erschien es ihm grotesk, dass es keinerlei Spuren der letzten Stunden trug. A ls er es an seine Nase hob und dankbar das Parfum einsog, roch es genauso wie in dem Momen t, als er es gefunden hatte. Mit dem Tuch vor der Nase traute er sich erstmals, einen genaueren Blick auf seine Umgebung zu werfen und erstarrte. J et zt sah er, wo er wirklich gelandet war. Die Halle, in der er sich befand , war größer als der Vorplatz des größten Sportstadiums des SLAM-Reiches. H ier würden mehr als eine halbe Million Sportbegeisterte ohne Probleme Platz finden.
Er sah keinen Menschen, trotzdem herrschte geschäftige s Treiben. Unzählige mannshohe Loren schwebten durch die Halle, schoben sich an den Fuß des Berges und senkten sich dann zischend ab. Aus ihren Seitenholmen klappten Teleskoparme aus, schnappten mit Greifern nach dem Unrat und warfen ihn mit einer schwungvollen Bewegung ins Innere des Transportkorbes. Die beladenen Loren hielten schaukelnd auf eine Seite der Halle zu, wo sich ein ähnlicher Trichter befand wie der, in den er erst vor wenigen Minuten gesprungen war. Dort schwebten sie über den Rand der Öffnung und kippten ihren stinkenden Inhalt in einen gierigen Metallsc hlund, aus dem lautes Knirschen und Schmatzen zu hören war. Fasziniert beobachtete Karim die Loren, als hinter ihm ein Klirren und metallisches Kreischen laut wurde. Er fuhr herum und sah ein riesenhaftes G efährt , dessen spinnenartige Greifarme Reste der Wiegen aus dem Windelberg zogen und in einen Container warfen . Rumpelnd erwachte daraufhin der Behälter zum Leben und quetschte die kleinen kreischenden Metallkörbchen zu einem handlichen Kubus zusammen, den er ausschied und hinter sich liegen ließ.
Die Szenerie war gespenstisch. E ine Welt, bevölkert von unzähligen diensteifrigen Maschinen, die sich darum kümmerten , dass er und seine Brüder in der Oberwelt sorglos leben konnten. Hatte er sich je Gedanken darüber gemacht, wo all der Abfall landete, den die Millionen Menschen verursachten, die gemeinsam mit ihm die Stadt bevölkerten?
Er bewegte sich von dem stinkenden Gebilde weg, weiter hinein in die Halle. Wohin er gehen würde, wusste er nicht, nur erst mal weg von dem grauenhaften Gestank. Auf dem Weg durch den kolossalen Raum wich er immer wieder schwebenden Loren aus . Je weiter er in die Halle vordrang,
Weitere Kostenlose Bücher