SLAM (German Edition)
deine Aufmerksamkeit. Sie will dir zeigen, dass sie existiert und wer sie ist. Sie will, dass sie dir etwas bedeutet.«
»Warum? Sei mir nicht böse, aber findest du nicht, dass das alles ziemlich albern klingt?«
Hayat schüttelte den Kopf. »Du kannst das alles noch nicht verstehen. Aber keine Sorge, du hast Freunde, die dir dabei helfen. Du hast mich. Und du hast BEY. Er hält große Stücke auf dich. Niemandem sonst steht er so nahe. In ihm hast du einen klugen Verbündeten.«
»BEY ist tot«, sagte Karim. »Ich sah ihn sterben – zweimal sogar.«
»Eben.« Hayat rückte näher an ihn heran, ohne seine Hände loszulassen. Er spürte ihre Körperwärme. Es fühlte sich gut an, ihr so nahe zu sein. Er hätte sie gerne noch enger an sich gezogen, sie berührt, ihre schmale Taille, wäre hinabgeglitten über ihre Hüften, wollte diese Haut spüren, die so unen dlich weich aussah.
Sie riss ihn ins Hier und Jetzt zurück: »Zweimal sahst du ihn sterben. Gibt dir das nicht zu denken? Ahnst du nicht tief in dir drin, dass er nicht sterben kann? Er ist ein Teil der Macht, Karim, eine Komponente von ihr, ein treuer Sklave, auch wenn er sich zu emanzipieren begonnen hat. Er ist die Schnittstelle der Macht zu der SLAM-Welt, deren Arme und Beine. Im Grunde ist er deshalb sogar ihr eigentlicher Herr. Darum kann sich die Macht nicht so einfach von BEY trennen. Sie braucht ihn. Und er braucht sie. All sein Wissen, all seine Kraft erhält er von der Macht.«
Hayats Worte strengten Karim an. Er sah hinauf in den Sternenhimmel. Ein helles Band wie ein Lichtstreif, der jenseits des Firmaments strahlte und an dieser Stelle hindurchschien, zog sich quer durch die diamanten funkelnde Sphäre. Der Sichelmond senkte sich immer weiter gen Süden. Bald würde er mit seiner unteren Spitze auf einem der Sandberge, die das Sternfunkeln am Horizont abschnitten, a uftreffen und in ihm versinken.
Eine fremde, intelligente Macht, die es auf ihn abgesehen hatte, BEY, der Teil dieser Macht sein sollte, diese Frau, Hayat – welch wundervolles Wort! Hayat, die so plötzlich in sein Leben getreten war und nun alles auf den Kopf stellte und ihn verwirrte.
Die warme Luft des Tages war abgekühlt. Karim fror, wo das Feuer ihn nicht wärmte. Er nahm sich eine der Decken und legte sie um seine Schultern. Hayat sah ihm mit ihren großen, dunklen Augen dabei zu. Ihr kirschförmiger Mund war geschlossen und wirkte ernst. Karim mochte es viel mehr, wenn sie lachte. Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und bat: »Lächle für mich.«
Sie hielt seine Hand fest, wollte sie zunächst von sich weisen, doch dann lächelte sie tatsächlich. Es war, als ginge ein zweiter Mond auf, ein Vollmond, unter dessen Licht Empfindungen in Karim gediehen und herausbrachen, wie er sie nie zuvor verspürt hatte.
»Wir sollten uns schlafen legen«, sagte sie unvermittelt. »Es wartet ein langer Tag auf uns.«
Karim willigte ein, wenngleich er gerne noch länger diese wundervolle Nacht mit ihr genossen, den Klang ihrer Stimme gehört und ihren Worten gelauscht hätte. Es gab so vieles, das er noch von ihr wissen wollte.
Er sah ihr dabei zu, wie sie sich aus Kissen und Decken ein Nachtlager bereitete. Sie streckte sich darin aus und drehte ihm den Rücken zu. Ein wenig enttäuscht ob dieser Geste richtete er sich auf seiner Seite des Feuers einen Schlafplatz her, legte noch mehrere große Scheite Holz nach und streckte sich ebenfalls aus. Er schloss die Augen und lauschte dem Prasseln und Knistern der Flammen. Der Wind flüsterte leise die Geheimnisse der Wüste in sein Ohr, eine eigene Sprache, die er nicht verstand. So viele Dinge kreisten in seinem Kopf, so viele Fragen, so viele Wünsche. Am stärksten war der Wunsch, Hayat zu berühren. Sie übte eine unendlich große Anziehungskraft auf ihn aus. Er sah sie vor sich, ihr Gesicht ganz nah, ihre Wölbungen, warm und weich und voll in seinen Händen. Mit diesem Bild vor Augen schlief er ein.
Ein Rascheln zu seiner Linken weckte Karim. Er schlug die Lider auf. Die Mondsichel war längst verschwunden, im Osten tauchte die aufgehende Sonne den Nachthimmel in ein tiefes Violett. Wieder das Rascheln. Erschrocken fuhr Karim auf. Aus der Dunkelheit kam Hayat auf ihn zu. Sie war nackt. Ihr bronzefarbener Körper bewegte sich wie die trügerischen Bilder in der Wüste. Möglicherweise war es das auch, ein Bild, das nur seiner Fantasie entsprang, oder eine Gaukelei der Geister, die diese sonderbare Landschaft
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