SLAM (German Edition)
makellose Schicht aus Sand und Staub bedeckte den Boden, auf dem er sich nun zögernd fortbewegte .
Die Darstellung einer Frau zog seine Blicke als Erstes an. Sie schien nackt zu sein , doch bei genauerem Hinsehen sah Karim die Andeutung eines Gewandes, fein gearbei tet, als sei es aus Gaze gefertigt. Die Statue war kaum größer als er selbst und an einigen Stellen beschädigt. Prächtige Locken türmten sich auf ihrem Kopf wie ein Turban, und in ihren Händen hielt sie zwei merkwürdige Ringe. Das Bemerkenswerteste neben ihrer fast unverhüllten Nacktheit waren jedoch die Flügel , welche aus ihrem Rücken wuchsen , sowie die Vogelfüße, mit denen sie auf zwei unter ihr liegenden Löwen balancierte. Fasziniert blieb Karim vor dieser mysteriösen Erscheinung stehen und suchte nach einem Hinweis auf ihren Namen, aber außer einem großen I war am Sockel der Statue nichts mehr zu erkenn en. Sie war eine Göttin, das ging ihm augenblicklich auf, also handelte es sich bei diese r Darstellung um eine , die wohlmöglich schon lange vor dem Entstehen des SLAM existiert hatte . Zaghaft berührte er di e Manifestation uralten Glaubens und schämte sich fast, dass er so ihre Ruhe störte. Einen kurzen Moment dachte er darüber nach, sich zurückzuziehen, aber dann erinnerte er sich an den Grund seines Hierseins und gab sich einen Ruck. HAVVA2, er war ihr nah , konnte sie förmlich spüren, wie ihr Geist nach ihm suchte und ihm näher und näher kam.
Andächtig tastete er sich Schritt für Schritt durch die riesige Halle. S eine Füße wirbelten kleine Wolken aus Sand auf, die zunächst wie goldener Flitter in den Sonnenstrahlen tanzten, die durch das Portal ins Innere fielen. Doch j e weiter er vordrang, umso diffuser wurde das Licht. Die Stille war hier fast greifbar, sein Atem nur noch störendes Geräusch im heiligen Schweigen. Gewaltige Kohlebecken, flankiert von haushohen Stelen , säumten den Mittelgang, der ihm nun wie ein Prozessionsweg erschien. Gigantische Götterbilder warteten hier stumm auf ihre Anbeter, die seit undenklicher Zeit nicht mehr gekommen waren.
» Habt ihr al-Lat und al-Uzza gesehen? Jene sind nur leere Namen, welche ihr und eure Väter für die Götzen ausdachtet, wozu Allah keine Erlaubnis gegeben hat .«
Seine flüsternde Stimme verlor s ich in den Tiefen der Finsternis, als er einen Teil der S atanischen Verse aus Sure 53 rezitierte. Sein Herz schlug schneller, während er die Worte des Propheten vor sich hin murmelte. Die Blicke der alten Götter schienen jedem seiner Schritte zu folgen; Karim vermochte fast , i hre fordernde Präsenz zu fühlen. D er erste Mensch seit undenklichen Zeiten , und die in Stein gemeißelten Gottheiten seufzten auf vor gespannter Erwartung.
Ein Gigant aus Stein war umgestürzt und lag mit dem Gesicht nach unten auf dem behauenen Granit, der wie die Oberfläche eines nächtlichen Gewässers schimmerte. Er war so weit in die Halle vorgestoßen, dass nur noch spärliche Reste des Tageslichts den Weg vor seinen Füßen beleuchteten. Er starrte in das zerstörte Gesicht eines gefallenen Gottes. Das gewaltige Schwert, das früher an seiner Hüft e gehangen haben musste, befand sich in Bruchstücken neben ihm. Verschämt kletterte Karim an den Gewandf alten der Statue empor und ließ sich über ihren Rücken auf die andere Seite gleiten. Er hatte das Gefü hl, ein Sakrileg zu begehen, in dem er diesen Götzen berührte , und ein Schauer lief unangenehm über seine Arme . Auf dieser Seite der Figur nahm er einen schwachen, fast unmerklichen Geruch wahr und folgte ihm schnuppernd. Hinter dem liegende n Steinidol war es noch dunkler. Vorsichtig ging er weiter , bis seine Füße gegen etwas stießen.
Hier war deutlich stärker zu spüren, was ihn angelockt hatte. Ein Gestank zog in seine Nase, als er seine Hände in jetzt vollständiger Dunkelheit ausstreckte und die Quelle der Ausdünstung betastete. Erleichtert grinste er in die Finsternis und bückte sich zum Saum seiner Kutte hinunter. Mit einem kräftigen Ruck riss er einen Streifen seiner Kleidung ab und tauchte sie in die zähe Masse. Seit der Rast in der Oase trug er Hayats Feuersteine mit sich und dankte ihr im Stillen, dass sie ihm gezeigt hatte, wie man ein Feuer entzündet.
Die Flamme loderte hell auf und verströmte beißenden Qualm, aber er konnte durch den brennenden Fetzen nun endlich sehen, in welche Richtung es weiterging. Das Ende der Halle war nah, drei Tore führten aus ihr hinaus. Karim blieb vor
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