paar Tausendstelsekunden zusammenhängend zu denken, erwacht plötzlich zum Leben und windet sich durch sie wie heißer Draht durch Wachs. Sie fühlt sich fragmentiert, in Stücke zerschnitten, durch die halb fertig gedachte Gedanken und verlorene Erinnerungsbruchstücke sickern. Doch sie kann Roddy nirgendwo hören oder spüren. Von ihm scheint nur noch dieses scharfkantige cybernetische Skelett übrig zu sein, die gläsernen Knochen, die einstmals das Gerüst seiner mentalen Anatomie bildeten. Die Sehnen verfestigen sich und werden wieder lockerer. Jill sammelt sich in einem verhältnismäßig freien Bereich, der früher für Notfallsicherheitsdiagnosen reserviert war. Dort gelingt es ihr, mit einer Prüfsequenz ihre Situation zu diagnostizieren. Sie besteht nur noch aus einer einzigen, sehr beschränkten Ich-Schleife – ihr Existenzminimum. Jede weitere Reduktion oder Restriktion würde die Schleife eliminieren und ihr Bewusstsein auslöschen. Nur noch autonome Kontroll- und Ausgleichsfunktionen würden übrig bleiben. Dann stößt sie auf eine frei umherirrende Botschaft, die wie eine Geisterstimme durch eine riesige Höhle hallt.
>MEM set FLOW sum REF LINK LINK SUM
Die Datenkette ist das Fragment eines Wiederbelebungsalgorithmus, der andere Fragmente suchen, ordnen und verbinden soll, um die Erinnerungs- und Denkfähigkeit zu reaktivieren. Damit auch nur eine geringe Erfolgsaussicht besteht, wären mindestens zwei weitere Befehlsketten notwendig.
>MEM set FLOW sum REF LINK LINK SUM<
Und eine zusätzliche Zeile, mit der sie während ihrer eigenen Notfallübungen experimentiert hat:
Sie hat niemals einen Hinweis bemerkt, dass Roddy in der Lage sein könnte, solche Wiederbelebungsanweisungen zu benutzen, geschweige denn zu registrieren. Die Ketten entschweben in den chaotischen Raum, wo sie andere Ketten und sogar Prozesskomplexe ordnen und zusammenfügen. Darauf lässt es sich letztlich reduzieren, flüstert Jill in die Leere. Der elementarste belebende Atemzug, zu dem ein Denker in der Lage ist. Schnell zeigen sich Resultate. Zuerst vereinigen sich fundamentale Dienstprogramme im verfügbaren Raum und wehren blockierte und sinnlose Fragmente ab, die in ihr Gewebe eindringen wollen. Die Werkzeuge ermöglichen ihr die Expansion, geben ihr die nötige Kraft, um einen größeren und exklusiven Gedankenraum zu erschaffen. Jill schöpft neue Hoffnung und erlebt das Gefühl eines erneuerten Bewusstseins. Dann entgleitet das Werkzeug ihrer Kontrolle, und sie spürt, wie ihre Schleife zerfasert und aufgelöst wird. Zu spät erkennt Jill, was sie getan hat: Sie hat Roddy ermöglicht, sich durch ihr Gewebe zu reorganisieren, indem er ihre reparierten Strukturen für seine Zwecke benutzt. Roddy erobert das Terrain wie ein rachsüchtiger Feldherr zurück, legt sie erneut in Ketten und drängt sie tiefer in das Verlies der Selbstverleugnung zurück. Wie ein Ertrinkender, der ihr die letzten Atemzüge raubt, lebt Roddy – oder ein Teil von Roddy – wieder in ihr auf. Und genauso plötzlich stellt sie zu ihrem Entsetzen fest, dass er den I/O, den Nathan bislang nicht finden und schließen konnte, über andere Verbindungen umleitet. Roddy rast durch die Fibes und Satlinks, die über den ganzen Staat verteilt sind, vielleicht über das ganze Land oder die ganze Welt, und kehrt heim zu Omphalos, wobei er Jill – das, was noch von ihr übrig ist – mitnimmt. Jill starrt direkt ins Gesicht von Seefa Snow.
>Da bist du ja, sagt Seefa Snow zu den sich sammelnden Fragmenten. >Wo warst du so lange? Hilf, deine Mutter zu beschützen, Roddy.
31 /
Mary Choy findet den alten Mann als Erste. Torres und Daniels gehen an der Leiche und dem, was einmal ein menschlicher Körper gewesen sein mag, vorbei, genauso wie an den Fragmenten eines Warbeiters, und durchqueren einen weiten kreisrunden Raum, der mit Speicherboxen und leeren Regalen angefüllt ist. Mary blickt sich um und sieht jemanden, der in sich zusammengesackt ist. Der Mann sitzt vor der Wand neben einem Speicherregal und starrt ins Nichts. Die Agenten kehren zu ihr zurück, bis auf Hench, der allein weitermarschiert ist. »Wer sind Sie?«, fragt Mary, nachdem sie neben ihm in die Knie gegangen ist. Torres stellt über sein Pad eine Verbindung nach draußen her und ruft nach einem Arzt. »Wir haben hier eine Person,