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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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dem das MN menschliche Leichen auflöst.
    In der Dunkelheit betastet Giffey vorsichtig seine Wunden. Zerrissene Kleidung, aufgerissene Haut, das Loch im Bein ist größer als das im Arm, aber vorerst dürfte ihm keine Gefahr drohen. Kleine Geschosssplitter vom Angriff des Frettchens auf den Hammer.
    Er liegt noch einen Moment lang still und lauscht. In der Galerie und der Bibliothek ist es ruhig. Es ist vorüber. Er lässt den Kopf sinken und presst seine feuchte Wange gegen den kühlen Kachelboden.
    Giffey spürt eine schwindelerregende Benommenheit, die ihm verrät, dass sich sein Innenleben an den allzu offensichtlichen Nähten aufzulösen beginnt. Er überlegt, ob sich die Krankheit, die den bedauernswerten Ken Jenner befallen hat und mit deren Auswirkungen Marcus Reilly geradezu schadenfroh geprahlt hat, nun auch in seinem Kopf ausbreitet. Wenn dem so ist, dann entfaltet sie ihre unangenehme Wirkung auf recht seltsame und hinterhältige Weise.
    Jack Giffeys Maskerade ist nicht mehr als ein armseliger Versuch. Der Mann, der hinter dem Schleier zum Vorschein kommt, hat ein viel aufregenderes und überzeugenderes Leben gehabt als der edle, tapfere und nicht sehr kluge Grabräuber.
    Der andere hat genauso wie Giffey für Colonel Sir John Yardley gekämpft, so viel haben sie gemeinsam, aber der andere, der Solidere von beiden, hat sich zur Ruhe gesetzt, in Hispaniola geheiratet und zwei Kinder gezeugt. Der andere ist reifer geworden und hat die Zeit seiner Abenteuer glücklich hinter sich gebracht. Ihn hat nur noch interessiert, seine Kinder heranwachsen zu sehen und zu erleben, wie sie selbst Kinder bekommen. Die Aussicht auf Enkelkinder scheint wesentlich netter zu sein als auf Reichtum oder Tapferkeitsmedaillen.
    Dann kam der Tod von Colonel Sir John Yardley und die Rückkehr der alptraumhaften Zeiten. Sofort wurde Hispaniola gespalten, ein Bürgerkrieg brach aus…
    Und noch etwas noch etwas noch etwas. Aber was?
    Jonathan Bristow und Marcus Reilly sind in seiner Nähe. Er kann ihre erschrockenen, angestrengten Atemzüge hören.
    »Ist es vorbei?«, fragt Jonathan.
    »Vielleicht«, antwortet er und Jack Giffey, von seinen wahren Freunden Giff genannt, übernimmt wieder das Kommando. Sein Wagemut ist schwer angeschlagen, aber noch vorhanden. Er hat – und das gilt für alle, aus gutem Grund – eine schwere Schlappe einstecken müssen. Das ist alles. Sie sind noch nicht aus Omphalos heraus und es gibt noch viel zu tun. Er muss nach dem Denker suchen und ihn zerstören, nach Marcus’ Roddy. Falls Roddy nicht längst wegen durchgebrannter Speicher so gut wie funktionsunfähig ist.
    Zeit zum Aufstehen, Jack, sagt er sich. Guter alter Giff. Zeit, die Arbeit zu erledigen.
    Er steht auf, tastet sich an der Wand entlang. Undeutlich erkennt er die Umrisse von Bristow und Reilly, die sich gegen die andere Wand lehnen. Er tritt gegen seine Taschenlampe und hebt sie auf. Er drückt auf den Schalter. Sie funktioniert noch.
    Er leuchtet Jonathan ins Gesicht. Der Ehemann und Familienvater starrt ihn mit großen, harten Augen an, die unter der Erschöpfung eine diamantenhafte Klarheit angenommen haben. So etwas macht der Kampf aus Männern, die viel zu verlieren haben, sagt ihm sein weiseres Alter Ego. Begeisterung und Ruhm sind für Kinder wie Jenner.
    *
    In Korridor und Bibliothek gehen die Lichter wieder an. Aber es ist ein grausamer Scherz, denn nun kann Jonathan das Gemetzel viel deutlicher sehen. Er und Giffey gehen zum Eingang der Bibliothek und lassen Marcus ein paar Meter hinter sich zurück. Marcus versucht ihnen nachzukriechen, will wissen, was geschehen ist.
    Jenner ist tot, daran besteht kein Zweifel. Der Sprühnebel hat wie eine Säure gewirkt. Giffey verzieht das Gesicht. Jonathan starrt nur.
    Es ist schwierig, irgendwelche Spuren von Hale zu erkennen. Etwas Eckiges hat sich aus dem gelösten Überresten erhoben, aber es ist unvollendet geblieben. Entweder war nicht genügend Rohmaterial vorhanden, oder etwas anderes ist schiefgegangen. Das MN konnte nicht zu Ende bringen, was es herstellen wollte.
    Der Hammer rührt sich nicht und gibt kein Geräusch von sich. Das Frettchen ist in mehreren Stücken mit abgerundeten Kanten rings um den größeren Warbeiter verteilt und ohne Zweifel außer Gefecht gesetzt.
    Ein Teil der vielen Gliedmaßen fällt mit einem hohlen Knall zu Boden.
    »Wie viele gibt es noch davon?«, fragt Jonathan. Giffey scheint in Gedanken ganz woanders zu sein.
    »Seefa Snow«, sagt

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