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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Stimme ist angespannt und seine nächsten Worte spricht er mit hörbarem Schmerz. »Es ist vorbei. Niemand kann mir helfen, und ich kann mir auf keinen Fall selbst helfen. Mea culpa, Alice. Mea maxima culpa. Sie sind das Lamm. Alle, die wie Sie sind, müssen leiden. Ich entschuldige mich für alles, was geschehen wird. Ich denke, es muss so sein, aber ich würde es trotzdem gerne verstehen.«
    Alice blinzelt nervös und ist nun wirklich verängstigt. Sie weicht drei Schritte zurück, murmelt irgendeine Entschuldigung und lässt sich von blinkenden Lichtern am Boden ins Bad führen.
    Sie verschließt die Badezimmertür von innen und wäscht sich. Sie setzt sich auf die Toilette und erleichtert den schmerzhaften nervösen Druck. Sie wünscht sich, sie könnte auf diese Weise den gesamten Abend auspissen. Das Bidet spült sie mit warmem Wasser ab und trägt ein leichtes blumiges Parfüm auf, das sie nicht mag. Mit einem großen weichen kohlegrauen Handtuch steht sie da und reibt sich immer wieder ab, bis ihre Schenkel und Schamlippen rosa sind.
    Die Toilette sagt: »Entschuldigen Sie bitte, aber Sie weisen Anzeichen für eine unbekannte Infektion auf, die möglicherweise ihren Ausgangspunkt in den Nasenhöhlen oder Bronchien hat. Sie sollten sich wegen einer gründlicheren Untersuchung an Ihren Arzt wenden.«
    Alice starrt auf die eingerollte Nacktschnecke der Toilette, die Marmorblässe, die Lippen, die zu einem Oval der fürsorglichen Überraschung geformt sind. »Was?«, fragt sie verdutzt.
    Die Toilette wiederholt die Diagnose ihrer ausgeschiedenen Flüssigkeit.
    »Vielleicht ist es von ihm«, sagt sie.
    »Es wurde Ihr Urin analysiert.«
    Sie hat noch nie zuvor solche Worte von einer Toilette gehört. Alle Krankheiten sind bekannt und nahezu alle leicht zu behandeln; Mutationen können vorhergesagt, eingestuft und eingeschätzt werden, weltweit, innerhalb weniger Tage; maßgeschneiderte Monitoren und Phagenjäger werden auf mikrobiologische Eindringlinge angesetzt…
    Sie hat sich in ihrem ganzen Leben noch nie mit einer Geschlechtskrankheit oder irgendeiner anderen infiziert.
    »Blödsinn«, sagt sie zur Toilette. Sie zieht ihre Sachen an und öffnet die Tür.
    »Vielen Dank«, sagt der Mann, der immer noch auf dem Bett sitzt. Aber er hat sich einen Bademantel angezogen und ihn fest verschlossen.
    Sie wirft einen sehnsüchtigen Blick in den Korridor, jenseits der Bilder von Männern, die ihren besiegten und mutlosen Untergebenen Verträge aufzwingen.
    »Bitte hören Sie mir zu«, sagt er. »Sie müssen bald gehen. In wenigen Minuten habe ich eine weitere Verabredung.« Er schiebt den Ärmel seines Bademantels hoch. »Sie verfolgen einen Langzeitplan. Ich gehöre dazu. Wir beobachten unsere Bauchnabel, bis all der Pöbel verschwunden ist und wir unsere rechtmäßige Stellung einnehmen können. Es ist sehr geheim. Sie sind so schön und so ganz anders als meine Frau. Es war mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Ich glaube nicht, dass es für Sie ein Vergnügen war. Sie haben etwas Besseres verdient.«
    Sie schaut ein letztes Mal auf den verwaschenen Fleck, schließt die letzten Nähte ihrer Kleidung und verzieht die Lippen zu einem verkrampften Lächeln.
    All das hat nichts zu bedeuten. Lass uns die Sache auf rein professionellem Niveau zu Ende bringen. »Gern geschehen«, sagt sie.
    »Ich werde sofort die Zahlungsanweisung hinausschicken, wenn Sie gegangen sind«, sagt der Mann.
    »Die Agentur hat Ihnen bereits eine Rechnung gestellt«, sagt sie – eine schwache Erwiderung.
    Dann steht sie im Korridor neben dem Lift und wippt ungeduldig auf den Fußballen. Als sich die Lifttür öffnet, steht sie zur ihrer Verblüffung vor einem kräftigen, untersetzten Mann und einer großen, elegant wirkenden Frau mit mahagonifarbener Haut, beide von der Seattle PD. Sie begrüßt sie mit einem Nicken, geht einen Schritt zur Seite, um sie vorbeizulassen, und betritt dann den Lift. Die Frau blickt sich über die Schulter zu Alice um, mit sicheren und abschätzenden dunkelgrünen Augen. Alice erschaudert. Das Gesicht der Frau ist wie eine hübsche Maske, unter der allmählich Unvollkommenheiten zum Vorschein kommen, was sie noch attraktiver macht. Sie ist eine Transformierte – ihre Haut ist viel zu perfekt und glatt.
    Die Tür gleitet lautlos zu. Alice hält sich mit einer Hand fest, starrt auf ihre manikürten Finger, die runzligen Knöchel, die feine Textur der Haut, die sich über die Sehnen ihres Handrückens

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