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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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rau anfühlt. Was du siehst, ist, was du bekommst: einen Mann im mittleren Alter, für den Sex ein Trieb und keine Kunst ist – ach was, es ist nur ein Geschäft.
    »Haben Sie sich als junges Mädchen jemals vorgestellt, so etwas zu tun?«, fragt der Mann.
    »Sex zu haben?«, fragt Alice zurück.
    »Dafür bezahlt zu werden, von jemandem, den Sie gar nicht kennen.«
    »Vielleicht kenne ich Sie ja«, scherzt Alice, um von der persönlichen Frage abzulenken. Sie will auf keinen Fall eine Beziehung herstellen, die über das Fundamentale hinausgeht, und auch das nur so kurz wie möglich. »Wenn Sie mir Ihr Gesicht zeigen würden…«
    »Nein«, sagt der Mann wieder, nicht verärgert, aber energischer als zuvor. »Und? Konnten Sie es sich vorstellen?«
    Sein Finger scheint sie nun aus eigenem Antrieb zu befummeln. Sie weiß, dass sie schließlich auf diese Art der Berührung ansprechen wird, aber echte Erregung und automatische Feuchtigkeit sind in diesem Stadium ihres Lebens zwei völlig unterschiedliche Dinge. »Das hängt davon ab, welches Alter Sie meinen.«
    Sie hat sogar schon Orgasmen gehabt, ohne eine besondere Erregung oder Verbundenheit zu ihren Partnern zu empfinden, im Widerspruch zu den Scharen (allzu oft männlicher) Evolutionstheoretiker, die das Thema des weiblichen Sexualtriebes wie berauschte Fliegen umschwirren.
    »Aha.« Er zieht seinen Finger zurück und legt die Hand auf ihre Brust, wo er mit der mechanischen Stimulation fortfährt. »Sie haben jung angefangen?«
    Sie greift nach seiner Hand, drückt sie flach auf ihre Brust und reibt seine Handfläche über ihre Brustwarze. Dann dirigiert sie sie zu ihrer linken Brust. »So ist es besser«, sagt sie und täuscht Atemlosigkeit vor. Er ist noch nicht vollständig erigiert, weil er zu viel denkt. Also muss sie die Initiative übernehmen.
    Alice beugt sich vor und überlegt, wie nahe sie seinem Gesicht kommen muss, bis die Illusion der Dunkelheit verfliegt. Es ist, als würde sie in ein Loch fallen; er erwidert ihren Kuss, aber sie sieht immer noch nichts. Der Effekt ist irritierend und ein wenig unheimlich.
    Das Unheimliche hat sie noch nie stimuliert.
    Alice lässt seine Hand los, dreht sich ganz herum und zieht den Rest ihrer Kleidung aus. Sie drängt sich mit dem Rücken an ihm, reibt ihn leicht mit den Pobacken, was genau die erwünschte Wirkung zeigt.
    Sie lässt sich aufs Bett gleiten. Sie will ihm eine Geschichte erzählen; vielleicht ist es dann schneller vorbei.
    »Ich habe jung angefangen«, sagt sie. »Ich fand Männer schon immer sehr attraktiv. Ich war recht frühreif. Männer reagierten auf mich, und ich nutzte es aus.«
    »Haben Sie jemals daran gedacht, Geld für Sex zu nehmen?«
    Sie kneift ein Auge zu und schüttelt den Kopf. »Warum?«
    Der Mann ist ihr nicht aufs Bett gefolgt, sondern steht nackt und mit abnehmender Schwellung da. Dort, wo sich Hals und Kopf befinden sollten, ist nur eine schattige Leere. »Wenn wir unser jugendliches Ich enttäuschen, was können wir in unserem Leben noch Erstrebenswertes tun?«
    Zum ersten Mal während dieser Begegnung verspürt Alice echte Verärgerung, vielleicht sogar Wut. Sie kämpft diese Gefühle nieder, drängt sie weit von sich fort. Sie lächelt und räkelt sich, lässt die Hüften leicht kreisen. Sie wünscht sich, es wäre bald vorbei.
    »Stellen Sie auch Ihrer Frau solche Fragen?«, erkundigt sie sich kokettierend.
    »Niemals«, sagt er. »Das würde sie sich nicht gefallen lassen. Aber ich bin neugierig. Ich interessiere mich für den Widerspruch zwischen der Art und Weise, wie ich Frauen sehe, wie sie sich selbst sehen, wie jeder sie zu sehen behauptet.«
    Dieser Mann ist kein Idiot. Sie stellt ihn sich nun als gedumpften Sklaven vor, der von einer Theorie angetrieben wird. Seine Neugier ist eine kühle Form der Lust. Er will gar keinen Sex, er will einen intimen Datenfluss, doch dafür hat er eben nicht bezahlt.
    »Wie meinen Sie das?«, fragt sie und legt die Beine zusammen, um nicht mehr das zu präsentieren, worum es ohnehin nicht zu gehen scheint.
    Der Mann setzt sich auf die Bettkante und legt seine rechte Hand auf ihr angewinkeltes Knie. Er trägt keinen Ring und weist auch keine Ringspuren an den Fingern auf. Doch an seiner linken Hand bewegt sich ein verschwommener Fleck, wo die fein abgestimmten Maschinen der Täuschung etwas vor ihrem Blick verbergen. Dort könnten sich durchaus mehrere Ringspuren befinden, was ihn zu einem High-Comb machen würde. »Gott weiß, dass ich

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