Slant
sei der beste Liebhaber, den du je hattest. Mit Bestürzung habe ich die Abkühlung beobachtet, den Wechsel von Begeisterung zu Verantwortung, bis es nur noch darum ging, unser Heim auf Kurs zu halten…
Wenn ich fort bin, hoffe ich, dass du zurückblickst und erkennst, welche Gelegenheiten du verpasst hast. Du wirst an all die Momente denken, in denen du mehr hättest empfinden und tun können, und wenn du dort ganz allein im Bett liegst, wirst du so vieles bereuen…
Davon träume ich. Die Bilanz des Körpers.
DIE EHEFRAU:
Ja, er ist gewissenhaft, aber – mein Gott!… Nachdem er fort ist – und ich hoffe sehr, dass ich ihn überlebe –, kann ich den ganzen Morgen im Garten verbringen und mir dann einen Toast mit etwas Marmelade zum Frühstück gönnen. Ich hoffe, ich bin zu alt und runzlig, als dass Männer mir noch ihre Aufmerksamkeit schenken. Ich werde mit Freunden reisen und lesen, was ich mag. Ich vermute, er glaubt, ich würde ihn im Bett vermissen, aber wirklich – nach vierzig Jahren des Dienstes an ihm – so nennt er es gelegentlich – würde sich da nicht jedes menschliche Wesen, das noch Verstand besitzt, nach Urlaub sehnen?
Davon träume ich. Von einem langen Urlaub.
22 /
Jonathan fährt in Marcus’ Wagen – ohne Marcus – nach Hause. Jetzt fühlt er sich ebenmäßig grau und neutral. Er wurde auf eine glatte, schnelle Bahn gedrängt, die, wie er glaubt, nicht zu irgendetwas Gutem führen kann. Aber wenn er sich neutral fühlt, fällt ihm der Gedanke leichter, es könnte noch einen Ausweg geben, ihm bliebe noch Raum zum Manövrieren. Er hat ja noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Marcus’ Angebot klingt so lächerlich, so nach neunzehntem Jahrhundert, eine Geheimgesellschaft, vielleicht mit Handzeichen und Turbanen, die Entschleierung uralter Offenbarungen, nachdem ein Pakt mit Blut unterschrieben wurde…
In erster Linie fühlt er sich verloren wie ein hilfloser kleiner Junge. Er möchte zu etwas gehören, aber wozu? Zu Marcus mit seiner geheimnisvollen Gelegenheit? Zu Chloe mit ihren verborgenen und widerwilligen Gefühlen?
Jonathan fährt im Wagen eines anderen zu einem Haus, in dem er sich nicht mehr zu Hause fühlt.
Mein Gott, wie ich mir selbst Leid tue!, denkt er. Es wird Zeit, sentimental zu werden und nach einer mitfühlenden Schulter zu suchen.
Aber er ist ein erwachsener Mann und die Zeit der Spiele ist schon lange vorbei.
Er kann sein Haus von der Straße aus sehen. Der Wagen hält an einer Kreuzung an. Er überlegt, ob Chloe noch wach ist.
*
Penelope und Hiram sind zu Bett gegangen. Das Haus ist still. Chloe steht am Wohnzimmerfenster und beobachtet, wie die Wolken aufreißen.
Chloes Gedanken sind im Laufe des Abends immer verbitterter geworden, während sie zwischen Selbstkritik und Selbstrechtfertigung schwankte. Doch es gibt nichts Bestimmtes, das sie für ihre Stimmung verantwortlich machen könnte. Jonathan hat nichts Ungewöhnliches getan, das sie verärgert hätte. Die Kinder waren so, wie sie immer sind, und an diese Art von Stress ist sie gewöhnt.
Vielleicht kann sie der durchgedrehten Toilette die Schuld geben, weil sie behauptet hat, sie alle seien krank. Sie hat es ihr sogar gerade eben gesagt, nachdem sie einfach nur gepinkelt hat, dass sie diejenige sei, die eine Virusgrippe hätte. Sie hat telefonisch einen Reparaturauftrag erteilt, obwohl die Toilette der Meinung war, es sei alles in Ordnung mit ihr.
Kein Mitglied ihrer Familie hatte jemals eine Grippe oder auch nur eine Erkältung. Sie erinnert sich kaum daran, wie die Symptome aussehen könnten.
Aus ihr unerfindlichen Gründen hat sie mit zäher Hartnäckigkeit an die Monate vor und nach ihrer Begegnung mit Jonathan gedacht, an die Zeit, als sie problemlos jede Woche einen neuen Mann im Bett hätte haben können, manchmal sogar zwei, was sie häufig auch getan hat. Damals hätte sie nicht gezögert, es als wildes Herumbumsen zu bezeichnen; doch jetzt kommt ihr diese Beschreibung zu krass vor. Schließlich ist sie eine Mutter, und zwar eine gute und verantwortungsvolle.
Zuerst war Jonathan für sie nur irgendeiner dieser Männer gewesen, nicht so attraktiv wie die meisten, aber sie hat ihn von Anfang an anders behandelt. Selbst als sie noch mit anderen ausging und ins Bett ging, wollte sie sich ihm nicht sofort hingeben, wollte ihm nicht das >physische Privileg< einräumen, wie ihre Mutter es ausdrückte. Kein Privileg, sondern nur Sex, einen vergnüglichen
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