Slant
Zeitvertreib. Aber mit Jonathan…
Für Jonathan empfand sie etwas anderes, keine starke sexuelle Anziehung, aber auch kein Desinteresse; er hat sie auf andere Art bewegt.
In den Wochen, bevor sie ihm schließlich erlaubte, sie zu überreden, ließ sie sich auf andere Männer ein und tat Dinge mit ihnen, die sie sich mit Jonathan nicht vorstellen konnte – und die sie seitdem auch nie mit ihm getan hat. Sie hat niemals versucht, eine Erklärung für ihr Verhalten zu finden und hat überhaupt nur selten daran gedacht, doch an diesem Abend schält sich die Frage mit beunruhigender Schärfe aus der Dunkelheit hervor.
Sie erinnert sich jetzt, dass sie insgesamt zwanzig Männer hatte – acht davon, nachdem sie begann, sich mit Jonathan zu treffen. Manchmal hat sie sogar einen Mann für mehrere Stunden zu sich eingeladen, nachdem Jonathan gegangen war. Warum zwanzig? fragt sie sich. Warum eine so runde und künstliche Zahl, so bedeutungslos, ohne jede Beziehung zu wirklichen Menschen, Männern mit Armen und Beinen und Schwänzen und hübschen Augen und pumpenden Hüften.
Sie erinnert sich, wie aufregend es war, wenn es ein wenig brutal, ein wenig versaut wurde. Den leisen, guten und intelligenten Mann zurückweisen und dann mit den lauten, selbstbewussten und strotzenden Jungs ins Bett hüpfen.
Es war die Enttäuschung mit dem letzten Mann, dem Monster, was sie in die Arme von Jonathan trieb. Er war genau der, den sie damals brauchte.
Das Rahmenhaus knackt leise, als die letzten Windböen am Dach zerren.
Jonathan kam ihr ehrenhaft und anständig und somit weniger anstrengend vor. Die Aufmerksamkeit der strotzenden Jungen zu erregen war eine wahre Leistung. »So denkt eine Schlampe«, murmelt sie. Er weiß wenig oder gar nichts über die Männer, die sie hatte, ohne sie zu haben; er weiß nur vom letzten und sie wird ihm niemals mehr erzählen. Er ist nicht der Typ, der verständnisvoll darauf reagieren würde. Sie will gar nicht, dass er dieser Typ ist. Obwohl er versucht hat, sie zu Phantasien über andere Beziehungen zu ermutigen, hat sie sich nicht darauf eingelassen. Ein solches Ansinnen hat etwas, das ihn in ihren Augen wertloser macht. Er hat sich verändert. Für den älteren Jonathan scheint Sex eine Art Abenteuer zu sein, eine Möglichkeit, seine prüde Jugend auszugleichen. Sie dagegen hat diese Vorstellung schon seit langem verworfen.
Trotzdem klappt es mit ihr und Jonathan recht gut im Bett, findet sie. Sie spürt seine gelegentliche Unzufriedenheit, seine Versuche, ihre sexuellen Routinen zu ändern, doch sie leistet Widerstand wie ein alter Baum, weil sie hofft, dass ihre Beziehung in festem und zuverlässigem Boden verwurzelt bleibt, fern von den zerklüfteten Gebirgen ihrer jungen Jahre.
Sie will sich nicht in die unkontrollierte Leidenschaft zurückfallen lassen, in den Schmerz, in den Verlust des Ichs, bei dem sie alles hingibt und nichts zurückbekommt, das sie gebrauchen könnte.
Sie weiß nur wenig über Jonathans sonstige sexuellen Erfahrungen. Ein paar Dinge hat er zugegeben – unbefriedigende, halbherzige Rendezvous mit verwirrten jungen Frauen –, die Chloe gewissenhaft als irrelevant abgetan hat, was sie auch sind.
Die Gegenwart ist das Entscheidende. Die Familie ist das, was zählt.
Doch sie hat das Gefühl, dass Jonathans Bitten immer verdrossener werden. Er versteht nicht, warum sie Widerstand leistet – sie auch nicht, nicht wirklich. Er hat sie schließlich um Dinge gebeten, zu denen sie früher mit anderen problemlos bereit gewesen war. Vielleicht spürt er es. Er ist kein Dummkopf.
Seine Bedürfnisse sind keineswegs extrem – kein Eheberater würde sie als extrem bezeichnen oder mehr als heuchlerische Verteidigungen für Chloes Verweigerung vorbringen. Schließlich ist es ein Spiel für zwei Personen, und beide Partner müssen mit den Regeln einverstanden sein.
Sie leben jetzt seit zwanzig Jahren zusammen und niemand kann erwarten, dass die Zeit der Experimente und Erkundungen ewig andauert.
Es geht jetzt um das, was er als Steifheit bezeichnet.
Sie gibt sich ihm oft genug hin, findet sie, und zwar mit ausreichender Leidenschaft. Er ist kein schlechter Liebhaber, und das weiß er. Aber die Anstrengung ist spürbar.
Dann macht sich erneut die Frage wie reibendes Sandpapier bemerkbar. Empfindet sie überhaupt noch etwas für Jonathan, abgesehen von ihrem Bedürfnis nach Kontinuität, nach Stabilität und festem Boden, nach einer guten Versorgung ihrer
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