SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
gehalten?«
Janie seufzt: »Ich versuche nur, das alles zu überstehen, weißt du? Ich versuche, mich mit einer Katastrophe nach der anderen zu befassen und hoffe jedes Mal, dass es die letzte ist, und wenn ich meine, ein Ende zu sehen, erkenne ich, Mist, dahinter ist noch eine. Und ich hoffe nur, dass ich eines Tages endlich frei sein kann.« Janie sieht zu Henry und stellt sich neben sein Bett.
»Aber das passiert nie.« Einen langen Moment sieht sie ihren Vater an.
Und denkt nach.
Und denkt.
Vielleicht ist es Zeit, etwas zu ändern.
Zeit, sich nur für eine einzige Person verantwortlich zu fühlen.
»Komm«, sagt sie schließlich zu Carl. »Ich glaube nicht, dass wir etwas für ihn tun können. Lass uns einfach gehen. Wir warten darauf, dass sie meine Mutter anrufen, wenn er … wenn es vorbei ist.«
»Okay, Süße.« Carl folgt Janie aus dem Zimmer. Er nickt Miguel hinter dem Tresen zu, der mitfühlend lächelt.
»Und jetzt?«, fragt Carl und nimmt Janies Hand, als sie zum Auto gehen. »Essen?«
»Ich glaube, du solltest mich lieber einfach nur nach Hause bringen, ja? Ich muss das erst einmal verarbeiten. Und ich muss nach meiner Mutter sehen.«
»Mmh, okay.« Carl ist wenig begeistert. »Heute Abend?«
»Ja …«, antwortet Janie abwesend. »Das wäre schön.«
13:15 Uhr
Janie lässt sich aufs Bett fallen und vergräbt das Gesicht in den Kissen. Ihr Ventilator bläst auf höchster Stufe, Fenster und Vorhang sind geschlossen, um die Hitze draußen zu halten. Es ist heiß im Haus, aber Janie ist es egal. Sie erholt sich noch von der letzten Nacht und fällt in einen tiefen Nachmittagsschlaf. Ihre Träume sind wirr und durcheinander. Ein seltsamer, haariger Obdachloser, der sie jagt, ihre Mutter, die betrunken und nackt im Garten herumläuft, Mr Durbin, der ihr droht, sie umzubringen, und eine Parade mit allen Leuten aus dem vornehmen Hügelviertel, die an der Straße stehen, mit den Fingern auf Janie zeigen und sich über die Drogenfahnderin lustig machen.
Dann hat sie einen furchtbaren Traum von Miss Stubin und wie sie stirbt, und obwohl die bereits tot ist, ist es schmerzhaft. Janie weint im Traum. Als sie aufwacht, sind ihre Augen nass.
Der restliche Körper ebenfalls. Sie hat so geschwitzt, dass sogar die Bettlaken feucht sind.
Und sie fühlt sich, als hätte sie jemand windelweich geprügelt.
Janie hasst solche Mittagsschläfchen.
16:22 Uhr
Janie zieht ihre Laufschuhe an, dehnt sich und läuft mit einer Wasserflasche in der Hand aus der Tür. Vielleicht ist es das, was sie braucht. Sie hat die ganze Woche lang nicht trainiert.
Sie geht die Auffahrt hinunter. Unter ihren Füßen knirscht der Kies und sie beginnt zu laufen. Sie joggt über den asphaltierten Gehweg und ihre Schuhe hinterlassen in den von der Sonne aufgeweichten Teerflecken Spuren. Schweiß läuft ihr über den Rücken und zwischen den Brüsten hinunter. Ihre Beine sind müde, aber sie läuft weiter und wartet darauf, dass der Rausch einsetzt. Sie läuft, ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein, bis zum Heather-Pflegeheim. Der Rhythmus ihrer Schritte und der gleichmäßige Atem pulsieren in ihrem Kopf und versuchen, schlechte Erinnerungen und Gedanken daraus zu vertreiben.
Doch es funktioniert nicht.
Sie läuft die Einfahrt hoch über den betonierten Platz und bleibt stehen. Sie befindet sich auf einem Parkplatz, der durch die häufige Benutzung und den Mangel an Farbe ganz müde wirkt. Sie sieht an den riesigen Ahornbäumen vorbei in den Himmel und denkt an eine Nacht vor ein paar Jahren, als sie mit drei Bewohnern des Pflegeheims am 4. Juli dort gesessen und dem Feuerwerk zugesehen hatte. Sie hatten »Oooh« und »Aaah« gemacht, obwohl eine von ihnen blind gewesen war.
Blind, so wie Janie es sein wird.
Oh, Miss Stubin.
Schwer atmend sinkt Janie auf den heißen Beton und lässt ihren Tränen freien Lauf. Der Schmerz darüber, achtzehn und verliebt zu sein – in einen Jungen, der nicht darüber reden kann, was mit ihr geschieht. Und das Gefühl, dass diese schwere Last ihr die Brust einschnürt und sie behindert, sie davon abhält, wie ein normaler Teenager zu leben, zwingt sie in die Knie, und sie fragt sich nicht zum ersten Mal, warum all dieser Mist ausgerechnet ihr passieren muss. Sie glaubt, dass es ein furchtbarer Fehler war, den Job bei Captain angenommen zu haben und ihre eigene Erblindung zum Wohle anderer auch noch zu beschleunigen. Sie überlegt, wie es wohl wäre, wenn all dies nie geschehen wäre, wenn
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