SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
Registriergerät in der Hand. Schweiß läuft ihr über die gebräunten Wangen, und unter den Armen haben sich feuchte Flecken ausgebreitet. Sie trägt die braunen Uniform-Shorts ihrer Firma und ihre gebräunten Beine sind voller Insektenstiche und blauer Flecken. Überrascht und verwirrt sieht sie Janie an. »Hi, äh, bist du achtzehn? Dann kannst du unterschreiben.«
»Ich … ja.«
»Wo ist denn Henry? Auf irgendwelchen Flohmärkten unterwegs? Offensichtlich nicht, denn sein Auto ist hier … Nun, sag ihm, dass ich ein Schild für einen großen Markt gesehen habe, den die Luthers organisieren. Das ist bei Washtenaw, Freitag und Samstag.« Sie sieht Janie unsicher an.
»Henry … Er wird wohl nicht hingehen. Er ist … krank. Es geht ihm nicht gut.« Janie spürt, wie sich ihr die Kehle zuschnürt. »Er liegt im Krankenhaus und kommt wahrscheinlich nicht durch.«
Der Frau fällt der Unterkiefer herunter und sie hält sich am Türrahmen fest.
»Oh mein Gott. Im Ernst? Bist du … Wer bist du?« Sie schlägt sich mit der Faust auf die Hüfte, als versuche sie, sich selbst in den Griff zu bekommen. »Wenn ich fragen darf, ich meine … es geht mich nichts an, aber Henry ist seit Jahren mein Kunde. Wir sind befreundet.« Abrupt wendet sie sich ab und starrt in den Wald, ihre Hand wandert zum Mund und ihre Finger spielen mit der Unterlippe.
»Ich heiße Janie. Ich bin seine Tochter«, erklärt Janie. Es klingt komisch.
»Seine Tochter? Er hat mir nie erzählt, dass er ein Kind hat.«
»Ich glaube, er wusste nichts von mir.«
Die Frau seufzt. »Nun, das tut mir wirklich leid. Richtest du ihm aus, dass ich ihm alles Gute wünsche?«
»Sicher. Ich … er liegt im Koma oder so, aber ich sage es ihm trotzdem. Aber … können Sie mir nicht ein bisschen von ihm erzählen? Ich meine, ich habe gerade erst herausgefunden, dass er mein Vater ist, als er ins Krankenhaus kam, ich weiß also gar nichts über ihn …« Janie schluckt schwer. »Möchten Sie ein Glas Wasser?«
»Nein, danke, ich habe jede Menge im Laster.« Noch immer ist ihr der Schock über die Nachricht anzusehen und sie schlägt abwesend nach einer Mücke. »Henry Feingold ist ein guter Mensch. Er stört niemanden. Vielleicht sieht er ein wenig merkwürdig aus, aber er hat ein Herz aus Gold. Er betreibt sein Geschäft und lebt ganz allein hier draußen, aber er sagt, er will es so. Er arbeitet viel am Computer, wegen seines Onlineshops und ein paar anderer Dinge – ich glaube, er hat mal einen Online-Kurs gemacht. Ich weiß allerdings nicht genau, was das war. Aber er hatte immer etwas Interessantes zu erzählen.«
»Hat er letzte Woche etwas davon gesagt, dass er sich nicht wohlfühlte?«
»Er berichtete nur von seinen üblichen Kopfschmerzen. Manchmal hatte er Migräne. Er hat sie allerdings nie untersuchen lassen, obwohl ich ihm dazu geraten habe. Er meinte, er hätte keine Versicherung.«
»Er hatte also schon seit einiger Zeit Kopfschmerzen?«
»Ab und zu. Ist es das, was …?« Die UPS -Frau beendet ihren Satz mit einem Kopfnicken.
»Ja. Irgendetwas ist mit seinem Gehirn. Vielleicht ein Tumor. Sie wissen nichts Genaueres, glaube ich.«
Die UPS -Frau sieht zu Boden. »Nun … es tut mir wirklich leid. Pass auf dich auf. Ich bin … nun. Mist. Es tut mir ehrlich leid.« Sie nimmt die Päckchen, die Janie zum Versand vorbereitet hat.
»Danke«, sagt Janie.
»Wenn etwas passiert, du weißt schon … könntest du mir dann vielleicht einen Zettel an der Tür hinterlassen? Ich komme häufig in diese Gegend, manchmal zweimal am Tag, wenn es eine Nachmittagslieferung gibt. Ich würde mich wirklich freuen. Ich heiße Cathy. Cathy mit C.«
Janie nickt. »Ich werde es versuchen … äh, Cathy?«
»Ja?«
Janie zögert. »Er ist doch nicht … blind oder so?«
Cathy sieht Janie verwundert an.
»Nein«, sagt sie dann. »Er trägt nicht einmal eine Brille.«
13:15 Uhr
Janie setzt sich in den Sessel und denkt nach.
Isolation.
Er lebt hier, er ist Ende dreißig und weder blind noch verkrüppelt.
»Oh Mann«, stöhnt Janie. Sie lässt ihren Kopf an die Lehne sinken. »Was zum Teufel mache ich nur? Es ist doch völlig klar. Ich bin ja so ein Idiot!«
Ihr Handy hört nicht auf zu vibrieren.
»Hi.«
»Hi«, antwortet Carl. Er klingt verärgert. »Ist irgendetwas los bei dir?«
»Ich musste einfach mal raus«, erklärt Janie. »Warum, was ist denn so wichtig, dass ich nicht mal drei Stunden weg kann, ohne dass mich jemand suchen kommt?« Ihr Ton
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