SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
voller Fürsorge. Etwas von Janies Kraft kehrt zurück. In ihr toben die Gefühle, als sie die Wärme und Liebe in Miss Stubins Berührung fühlt.
»So, jetzt geht es dir besser«, sagt Miss Stubin.
»Sie«, stottert Janie. »Sie sind … ich dachte, ich würde Sie nie wiedersehen!«
Miss Stubin lächelt. »Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, habe ich meine Zeit mit Earl sehr genossen. Es ist schön, wieder gesund zu sein.«
Sie hält inne und ihre Augen blitzen. Sie fangen die schwachen Lichtstrahlen ein, die durch die winzigen Fenster der Sporthalle fallen. Ihr Blick fällt auf Henry, der reglos und stumm dasitzt. »Ich glaube, ich bin wegen Henry hier … ich soll ihn wohl nach Hause bringen, wenn du verstehst, was ich meine. Manchmal weiß ich es selbst nicht, warum ich in die Träume anderer Fänger gerufen werde.«
Janie reißt die Augen auf. »Dann ist es also wahr. Er ist wirklich einer von uns.«
»Ja, offensichtlich.«
Sie betrachten Henry für einen Moment, bevor sie sich gegenseitig in die Augen schauen. Schweigend, nachdenklich. Die Traumfänger, alle an einem Ort versammelt.
»Wow«, murmelt Janie. »Warum haben Sie mir nichts von ihm erzählt? In Ihrem grünen Tagebuch haben Sie geschrieben, dass es keine anderen lebenden Traumfänger gibt.«
»Ich wusste nichts von ihm.« Sie lächelt. »Offensichtlich benötigt er erst deine Hilfe, bevor er mit mir gehen kann. Ich bin froh, dass du gekommen bist.«
»Es war nicht leicht«, gesteht Janie. »Seine Träume sind entsetzlich.«
»Er hat nicht mehr viele«, erklärt Miss Stubin.
Janie presst die Lippen aufeinander und holt tief Luft. »Er ist mein Vater. Das wussten Sie, nicht wahr?«
Miss Stubin schüttelt den Kopf. »Nein, das wusste ich nicht. Dann ist es also erblich. Das habe ich mich schon oft gefragt. Deshalb habe ich auch keine Kinder.«
»Haben Sie …?« Janie kommt plötzlich ein Gedanke. »Sie sind doch nicht verwandt, oder? Mit uns, meine ich.«
Miss Stubin lächelt sanft. »Nein, meine Liebe. Aber das wäre doch mal etwas, oder?«
Janie lacht leise über den verrückten Gedanken. »Glauben Sie, dass es noch andere da draußen gibt? Außer mir?«
Miss Stubin nimmt Janies Hand und drückt sie. »Zu wissen, dass es Henry gibt, lässt mich hoffen, dass es auch noch mehr gibt. Aber Traumfänger kann man fast unmöglich finden.« Sie lacht leise. »Ich glaube, die beste Möglichkeit, sie zu finden, ist, an einem öffentlichen Ort einzuschlafen.«
Janie nickt und wirft einen Blick auf Henry. »Wie soll ich ihm denn helfen?«
Miss Stubin zieht eine Augenbraue hoch. »Ich weiß es nicht, aber du weißt, was du tun musst, um es herauszufinden. Er hat dich bereits um Hilfe gebeten.«
»Aber … ich sehe nicht … und er gibt mir keinerlei Hinweise.« Janie sieht sich in der fast leeren Sporthalle um, sucht nach Anhaltspunkten, versucht, herauszufinden, was sie tun kann, um ihm zu helfen. Doch sie will ihm nicht zu nahe kommen.
Schließlich wendet sie sich zu Henry, holt tief Luft und sieht Miss Stubin kurz hilfesuchend an.
»Hi«, beginnt sie. Ihre Stimme bebt ein wenig, sie ist nervös, hat Angst und weiß nicht, was sie erwartet. »Wie kann ich dir helfen?«
Er starrt sie mit leerem Gesichtsausdruck an. »Hilf mir«, verlangt er.
»Ich … ich weiß nicht wie, aber du kannst es mir sagen.«
»Hilf mir«, wiederholt er. »Hilf mir. Hilf mir. Hilf mir. HILF mir. HILF MIR . HILF MIR ! HILF MIR !« Henrys Stimme wandelt sich in wildes, endloses Kreischen. Janie weicht erschrocken zurück, sucht Schutz, aber er kommt ihr nicht nach. Er greift sich an den Kopf, schreit und reißt sich büschelweise das Haar aus. Seine Augen treten hervor und sein Körper verkrampft sich vor Qual. » HILF MIR !«
Er hört nicht auf zu schreien. Janie ist wie erstarrt, erschrocken, entsetzt.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll!«, ruft sie, aber ihre Stimme wird von seiner übertönt. Entsetzt sieht sie Miss Stubin an, die aufmerksam und ein wenig furchtsam zusieht.
Plötzlich …
… streckt Miss Stubin die Hand aus.
Sie berührt Henry an der Schulter.
Seine Schreie werden unsicher. Hören auf. Sein Keuchen wird leiser.
Miss Stubin sieht Henry an und konzentriert sich. Sie richtet ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn. Bis er sich zu ihr dreht und still wird.
Janie sieht zu.
»Henry«, sagt Miss Stubin sanft. »Das ist deine Tochter Janie.«
Henry reagiert nicht. Doch plötzlich verzieht er das Gesicht.
Augenblicklich beginnt die Szene
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