SLEEP - Ich weiss, was du letzte Nacht getraeumt hast
zu haben, die sie hier bei Henry hätte verbringen können.
Sie sagt ihm, wie schwer es für sie gewesen ist, das alles in den letzten Tagen herauszufinden, und einzelne Tränen laufen über ihre Wangen.
Bis tief in die Nacht redet sie mit ihm.
So lange, bis sie sich alles von der Seele geredet hat.
Henrys Gesicht verändert sich nicht. Er bewegt sich nicht einmal.
Erst als Janie zu müde ist, um noch zu denken oder ein weiteres Wort zu sagen, schläft sie zusammengerollt auf dem Stuhl ein.
Alles ist still.
04:51 Uhr
Sie träumt.
Janie ist in ihrem Schlafzimmer, setzt sich auf, desorientiert. Ihre Zunge fühlt sich trocken an und sie leckt sich über die Lippen. Ihre Zunge hinterlässt einen Belag darauf, der sich sandig anfühlt. Als Janie den Sand wegwischen will, geben ihre Lippen nach. Die Zähne zerbrechen, und winzige Splitter fallen in den Mund. Sie zerfallen. Die scharfen Stummelreste schneiden ihr in die Zunge.
Entsetzt spuckt Janie in die Hände. Splitter der zerbrochenen Zähne fallen heraus. Janie spuckt weiter und immer mehr Zahnsplitter sammeln sich in ihren Handflächen. Panisch sieht Janie auf, unsicher, was sie tun soll. Wenn sie die Augen bewegt, ist alles verschwommen. Verschleiert. Als versuche sie, in einen beschlagenen Spiegel oder durch einen Wasserfall zu sehen. Sie lässt die Zähne aufs Bett fallen, bereits vergessen, und reibt sich die Augen, versucht, den Schleier zu entfernen, zu sehen. Aber sie ist blind.
»Ich isoliere mich!«, ruft sie. »Ich sollte nicht blind werden! Nein! Ich bin noch nicht bereit!«
Sie fasst verzweifelt nach ihren Augen, doch ertastet zwei vertikale Schlitze – Löcher direkt neben ihren Augen. Etwas steht daraus hervor.
Sie fasst danach und zieht es heraus.
Seifenstücke gleiten aus den Schlitzen.
Janies Augen jucken und brennen wie verrückt. Sie reibt sie und zieht weitere Seifenstücke hervor, doch sie scheinen immer nachzuwachsen. Während sie die Seife herauszieht, fährt sie sich mit der Zunge über die schartigen Zahnstummel und schmeckt Blut.
»Nein!«, schreit sie.
Endlich zieht sie das letzte Stück Seife aus ihrem Gesicht und kann wieder sehen. Erleichtert schaut sie auf.
Dort …
… auf seinem Stuhl, sitzt er und betrachtet Janie ruhig.
Henry.
Janie starrt ihn an.
Nach einer Weile dämmert ihr plötzlich, was sie tun soll.
»Hilf mir. Hilf mir, Henry!«
Henry sieht überrascht aus. Gehorsam steht er auf und geht zu ihr.
Janie zeigt ihm eine Handvoll Zähne. »Du kannst mir helfen, das zu ändern, du weißt es. Ist es okay, wenn ich sie wieder einsetze?«
Henrys Augen geben ihr die Antwort. In ihnen steht Ermutigung. Er nickt.
Janie schenkt ihm ein bröckeliges Lachen. Sie nickt zurück und schiebt die Zähne wieder in den Mund wie Legosteine. Als sie fertig ist, klopft sie lächelnd aufs Bett.
Henry setzt sich. »Du bist wie ich.«
»Ja.«
»Ich habe dich gehört – alles, was du mir erzählt hast. Es tut mir leid.«
»Ich bin froh darüber. Ich meine, ich freue mich, dass du es gehört hast. Und es muss dir nicht leidtun. Du wusstest es doch nicht.« Sie sieht Henrys leeren Stuhl an.
Er wendet sich zu ihr. »Ich glaube … ich glaube, ich hätte dich gerne kennengelernt.«
Janie unterdrückt ein Schluchzen.
Er nimmt ihre Hand.
»Ich vermisse sie. Dottie. Ist sie gut zu dir? Eine gute Mutter?«
Sie starrt eine Weile ihre Hände an. Sie ist nicht sicher, was sie sagen soll. Endlich zuckt sie mit den Schultern. »Na, aus mir ist doch etwas geworden.«
Durch ihre Tränen wirft sie Henry ein Lächeln zu.
06:10 Uhr
Die Tür zu Henrys Zimmer auf der Intensivstation geht auf.
Es ist eine Schwester der Frühschicht, die nach seinen Vitalfunktionen sieht. Janie schreckt aus dem Schlaf hoch, setzt sich und reibt sich die Augen.
»Kümmere dich nicht um mich«, sagt die Schwester und fühlt Henrys Puls. »Du siehst aus, als könntest du etwas Schlaf brauchen.«
Janie lächelt und streckt sich. Sie wirft einen Blick auf Henry und erinnert sich. Es war seltsam, zum ersten Mal jemanden in ihrem eigenen Traum zu haben.
Plötzlich holt sie überrascht Luft und springt auf, um besser sehen zu können.
»Er …«, beginnt sie, als die Schwester gehen will. »Er sieht anders aus. Sein Gesicht!«
Die Schwester betrachtet Henry und prüft das Krankenblatt. »Tatsächlich?« Abwesend lächelt sie. »Besser, hoffe ich.«
Aber Janie starrt nur Henry an.
Seine Haltung ist entspannter, sein Gesicht zeigt nicht länger den
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