Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
einen legendären Ort zu fahren, und hat sich von einem Online-Prospekt beschwindeln lassen, nur um dann zu entdecken, dass alles so gar nicht den eigenen Erwartungen entspricht, so dass man am Ende nicht nur ein Vermögen ausgibt, sondern sich dabei auch noch miserabel fühlt. Ich für meinen Teil verabscheue überteuerte und exklusive Hotels. Ich sehe es ein, wenn jemand sagt: »Ist doch in Ordnung, wenn du umsonst dort wohnen kannst, daswürde ich auch gerne mal machen«, aber nach ein paar Tagen ist es wirklich scheußlich, selbst wenn man nicht dafür bezahlen muss. Vielleicht liegt es ja daran, dass man nicht bezahlen muss, weil man es paradoxerweise nur dann richtig beurteilen kann.
Das hört sich unsinnig an, aber ich bin zutiefst davon überzeugt. Wenn ich irgendwo umsonst übernachte, dann geht es nicht mehr darum, was ich für mein Geld bekomme – was gut ist, denn das ist eine vollkommen subjektive Einschätzung, die vom Einkommen, der Lebensanschauung und den eigenen Erfahrungen abhängt. Ich kann nur beschreiben, wie es sich anfühlt, und jedes Mal, wenn ich in einem dieser Hotels gewesen bin, habe ich mich – ohne Ausnahme – nach ein paar Tagen danach gesehnt, der gekünstelten Atmosphäre zu entkommen. Es ist ein greifbares Gefühl, eine metaphysische Version davon, wie man sich an Weihnachten fühlt, wenn man viel zu viele Würstchen im Schlafrock, Pralinen und die Käseration eines ganzen Jahres verdrückt hat. Natürlich ist das Essen in den schicken Hotels meist ausgezeichnet, doch das bedeutet nur, dass man zu viel isst und Blähungen bekommt, während man dort ist. Ich habe eine Schwäche für das englische Frühstück mit allem Drum und Dran, doch am dritten Tag schaffe ich nur noch ein kleines Stück Melone und eine halbe Packung Kautabletten gegen Sodbrennen.
Nach dieser ganzen Völlerei kommt man sich sehr unattraktiv vor, was durch das Personal und die anderen Gäste stark gefördert wird, denn sie sind gewöhnlich gut aussehend und makellos gekleidet. In der Gegenwart von Menschen zu sein, die es sich leisten können, in solchen Hotels abzusteigen, heißt auch, dass man völlig paranoid wegen seiner Kleidung wird, denn man hat nie das »Richtige« zum Anziehen. Die Angestellten tun meistens des Guten zu vielund warten ständig auf ein Trinkgeld, eigentlich soll man sie dafür bezahlen, dass sie freundlich sind: eine seltsame Vorstellung, die dazu führt, dass man sich unbehaglich fühlt, wenn sie irgendetwas Nettes für einen tun.
Es klingt vielleicht merkwürdig, aber der einzige andere Ort, den ich kenne und an dem eine vergleichbar unangenehme Atmosphäre herrschte, obwohl es sich vermeintlich um das ganze Gegenteil handelte, war ein Benediktinerkloster. Jeder kann dort eine Nacht verbringen, was ich auch tat: Eine der Regeln des heiligen Benedikt besteht darin, Reisenden eine kostenlose Unterkunft anzubieten. Das klingt vielleicht nicht so verlockend wie ein bezahlter Aufenthalt in einem schicken Hotel, aber warten Sie’s ab. Das Kloster war komfortabel, aber nüchtern, es gab dort keinerlei Luxus, und es war verboten, beim Essen zu sprechen. Das hat mehr mit den gekünstelten Umgangsformen in einem Luxushotel zu tun, als man denken würde. In beiden herrscht eine überwältigende Atmosphäre von Unterdrückung und Verunsicherung, die es fast unmöglich macht, sich zu entspannen. Beide sind auf Angst und Unfreundlichkeit gegründet (die Mönche sind genauso bevormundend wie die Hotel-angestellten), aber das eine ist umsonst, und für das andere muss man zwischen 300 und 500 Pfund pro Nacht bezahlen. In gewisser Weise scheint das Hotel die bessere Wahl zu sein – es ködert einen mit dem Versprechen, man könne dem Alltag entkommen, und belastet einem für dieses Privileg die Kreditkarte, während das Kloster einem nur die Hoffnung bietet, die eigene unsterbliche Seele zu retten.
Natürlich liegt der größte Reiz der übertrieben luxuriösen Hotels mehr in der eigenen Vorstellung als in den Dingen, die ein solcher Ort in Wirklichkeit zu bieten hat. Obwohl ich wohl niemals im Sieben-Sterne-Hotel Burj Al Arab in Dubai absteigen werde (wo jede Suite zwei Stockwerke undeinen Butler hat), kann ich mir vorstellen, wie es dort wohl wäre oder, was noch entscheidender ist, was für ein Mensch ich wohl wäre, wenn ich es mir jemals leisten könnte, dort zu wohnen.
Der Ocean Club Marbella scheint extra so gestaltet worden zu sein, dass Leute wie ich – die es sich nicht leisten
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