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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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hinweist, das bescheiden und in Vergessenheit darauf wartet, dass ein unerschrockener Wanderer darüber stolpert. Das Land wird dazu genutzt, Schafe und Rinder frei grasen zu lassen. Es gibt vermutlich nicht viele 4000 Jahre alte Monumente, auf denen Tiere sich frei bewegen können, doch in diesem Fall kommt es einem angemessen vor. Die Hügelgräber zeugen davon, dass bereits unsere Vorfahren dauerhafte Zeichen in der Landschaft hinterlassen und Landwirtschaft betrieben haben, was ihren nomadischen Vorvätern nie in den Sinn gekommen wäre.
    Anthropologen sind der Ansicht, dass der Mensch vor etwa 50 000 Jahren anfing, kulturelle Bräuche wie Religion, Kochen, Spiele und Sprache auszubilden, und damit so »wie wir« wurde, doch das Reisen ist bereits seit Hunderttausenden von Jahren Teil unseres Lebens gewesen. Der Homo sapiens (lat. für »der vernunftbegabte Mensch«) entstammt einem Nomadenvolk, das aus Jägern und Sammlern bestand. Sie waren ständig in Bewegung und verbreiteten sich von Afrika aus in die ganze Welt, indem sie die Landbrücke überquerten, die bis vor etwa 8500 Jahren das heutige England mit dem europäischen Festland verband. Erst nach derAgrarrevolution, die in der Jungsteinzeit zwischen 8000 und 3000 v. Chr. stattfand, begannen sie – oder vielmehr wir – in Siedlungen zu leben, die man als frühe Dörfer oder Städte bezeichnen kann. Man tut gut daran, sich daran zu erinnern, dass »wir« nur die letzten zehn von Hunderten von Jahrtausenden an einem festen Ort verbracht haben. Es ist also kaum überraschend, dass das Echo dieses unsteten Lebens, der freie, umherschweifende Geist dieser Männer und Frauen, in unserer DNA erhalten ist und die Vorstellung vom Reisen uns auch heute noch so ungemein inspiriert. Oder dass das Unterwegssein – wenn wir es in seiner ganzen Bedeutung erfassen – es unserem Geist ermöglicht, sich einem Denken zu öffnen, das sich fremdartig und zugleich beruhigend vertraut anfühlt.

    Wer wie ich von Natur aus zum Müßiggang neigt, wird sich dafür interessieren, dass der durchschnittliche Jäger und Sammler neueren Erkenntnissen zufolge nur circa drei Tage in der Woche gearbeitet hat. Jagen und auf Nahrungssuche zu gehen war sehr viel effizienter als die tägliche Plackerei des Ackerbaus, der diese Tätigkeiten ablöste, und erlaubte den Menschen mehr Freizeit, als die meisten von uns heutzutage haben. Natürlich waren die Jäger-und-Sammler- Eltern viel patenter, als wir es heute sind. Mit dem Aufkommen des Ackerbaus begannen die Menschen, mehr Nahrung anzubauen, als sie für sich selbst brauchten, und sie mussten mehr arbeiten, um ihre Felder zu schützen und zu versorgen. Wenn die Ernte schlecht ausfiel, liefen sie Gefahr zu verhungern, doch wenn es ein gutes Jahr war, konnten sie einen Überschuss erwirtschaften. Von diesem Punkt an lässt sich erkennen, wie wir uns vom »vernunftbegabten Menschen«zum »kapitalistischen Menschen« entwickelt haben, dessen Dasein von den Aufschwüngen und Pleiten der modernen globalen Wirtschaft bestimmt wird.

    Ich kletterte von dem Hügelgrab herunter und folgte weiter dem Pfad, und meine Abenteuerlust begann zu schwinden, weil die schwellenden Blasen an meinen Füßen mich bei jedem zweiten Schritt stöhnen ließen. Ich fühlte mich wie Laurie Lee, als die erste Euphorie ihn verließ, nachdem er einige Stunden unterwegs war: »An diesem ersten Tag allein – und ich war mittlerweile völlig allein – ließen meine Begeisterung und meine Kräfte zunehmend nach … Während ich weiterwanderte, wurde ich von Gedanken an zu Hause heimgesucht.« Aber ich riss mich zusammen und trottete weiter, während die Sonne langsam unterging. Der Pfad fiel ab und wand sich am Rand einer tiefen Senke entlang, in deren Mitte ein massives Gehöft kauerte, es war anscheinend auf dem Grund eines alten Steinbruchs erbaut worden. Die vielen Farben des Tages waren mittlerweile einem dämmerigen Grau gewichen, und ich kam an einem kleinen Denkmal für einen Kampfpiloten vorbei, dessen Flugzeug während der Luftschlacht um England hier abgestürzt war.
    Der Pfad führte immer tiefer und tiefer hinab, doch ich konnte erkennen, dass ich später die verlorene Höhe wieder wettmachen musste, und sogar noch mehr, wenn ich über den Hügel wollte, der zwischen mir und dem mächtigen Harting Hill lag. Kurioserweise joggte in diesem Moment ein ganzes Rugbyteam den Hügel vor mir hinauf, jeder Einzelne von ihnen konzentrierte sich schnaufend und

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