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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Kieran
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kopfsteingepflasterten Straßen in der Luft lagen. Im Zug nach London wusste ich, dass diese Reise meine vorgefasste Meinung über Osteuropa verändert hatte. Meine Reiseführer hatten mir dabei geholfen, Zugang zu neuen Einsichten zu finden, die mir noch lange erhalten bleiben würden, wenn ich wieder zu Hause war.

    Ich dachte daran, wie Wilf, Rachel und ich auf den Laurenziberg gewandert waren, als ich in den Nachrichten hörte, dass Havel am 18. Dezember 2011 gestorben war. Die Nachrufe befassten sich mehr mit seinem politischen Leben als mit dem Autor Havel und suggerierten, dass er sich kaum über die Entscheidungen bewusst gewesen war, die ihn dazu gebracht hatten, eine so maßgebliche Rolle für seine Nation zu übernehmen. Es war, als hätte er sich auf seiner Lebensreise von einem instinktiven Kompass leiten lassen. Dann stieß ich auf ein Zitat von Havel, das bestätigte, dass er ein Mann war, der einfach seinem Instinkt gefolgt war. Während seiner Haft schrieb er über seine Entscheidung, öffentlich als Mitautor der Charta 77 aufzutreten: »Wir hatten niemals beschlossen, dass wir ins Gefängnis gehen würden. Tatsächlich hatten wir niemals beschlossen, Dissidenten zu werden … Wir waren hingegangen und hatten bestimmte Dinge getan, zu denen wir uns verpflichtet fühlten und die uns vernünftig erschienen, nicht mehr und nicht weniger.«
    Zufällig stieß ich auf ein Gedicht von einem Zeitgenossen Havels – dem tschechischen Dichter Miroslav Holub –, während ich die Artikel über Havels Tod las. Ich habe den Verdacht, dass es von ihm handeln könnte, und wie der Zufall es will, beinhaltet es auch einige meiner Gedanken über Reiseführer, die so zutreffend formuliert sind, wie es nur ein wahrer Poet kann. Das Gedicht heißt »Kurze Gedanken über Landkarten« und erschien am 4. Februar 1977 im Times Literary Supplement  – einen Monat nachdem Havel und seine Mitstreiter die Charta 77 herausgegeben hatten.
    Der junge Leutnant eines kleinen ungarischen Kommandos in den Alpen entsendet einen Aufklärungstrupp in die eisige Einöde.
    Es begann zu schneien
    augenblicklich,
    schneite drei Tage lang, und die Einheit
    kam nicht zurück.
    Der Leutnant litt:
    Er hatte seine eigenen Leute
    in den Tod geschickt.
    Doch am dritten Tag kehrte die Einheit zurück.
    Wo waren sie gewesen? Wie hatten sie ihren Weg gefunden?
    Ja, sagten sie, wir hielten uns für verloren
    und warteten auf das Ende. Und dann fand einer von uns
    eine Karte in seiner Tasche. Das beruhigte uns.
    Wir schlugen ein Lager auf, warteten den Schneesturm ab, und dann,
    mit der Karte,
    fanden wir unseren Weg.
    Und hier sind wir.
    Der Leutnant ließ sich diese bemerkenswerte Karte geben
    und sah sie sich gründlich an. Es war keine Karte der Alpen,
    sondern der Pyrenäen.

Kapitel 4
Heiße Katastrophen willkommen
    Eine Unannehmlichkeit ist ein fälschlich betrachtetes Abenteuer. Ein Abenteuer ist nur eine Unannehmlichkeit ins rechte Licht gerückt.
    G. K. Chesterton, »On Running After One’s Hat«, 1908
    Auf den ersten Seiten von In Patagonien erinnert sich Bruce Chatwin an ein Schränkchen im Haus seiner Großmutter, das ein kleines Stück Haut mit Büscheln roten Haars enthielt und angeblich von einem Brontosaurus stammte. Der Cousin seiner Großmutter, Charley Milward, hatte den konservierten Kadaver in einer Höhle in Patagonien entdeckt und ihn auf dem Seeweg zum Britischen Museum geschafft, wo er näher untersucht werden sollte. Unglücklicherweise verfaulte er auf dem Schiff, doch das kleine Stück, das er seiner Cousine mit der Post schickte, blieb erhalten. Als Kind entwickelte Chatwin eine Faszination für dieses Stück Haut und für Südamerika. Letzteres lag weit entfernt von dem zu Hause seiner Kindheit, und in seiner Vorstellung bevölkerte er es mit fantastischen Monstern. Als er vierunddreißig war, gelangte er endlich »ans Ende der Welt«, und das Buch handelt von seiner Suche nach dem Ort, an dem die konservierte Dinosaurierhaut gefunden worden war. Es stellte sichheraus, dass der »Brontosaurus« eigentlich ein Riesenfaultier gewesen war, doch das Monster war sicherlich der Köder gewesen, der den Jungen dazu verlockt hatte, eine Landschaft zu durchwandern und zu bestaunen, mit der er sich als Mann einen Namen machen sollte.
    Wir alle haben Orte, die wir »eines Tages« besuchen wollen, an einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft. So wie Chatwin machen sich viele von uns auf die Suche nach einer ganz bestimmten

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