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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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Detailgenauigkeit – die Kontrolle zu überlassen.
    McGilchrist behauptet nicht, das Gehirn sei so aufgeteilt, wie man es in den 1960er und 70er Jahren annahm. Er sagt, nachdem sich diese Theorie als falsch erwiesen hätte, hätten wir begonnen, die offensichtlichen Unterschiede zwischen den Gehirnhälften zu ignorieren. Seine Arbeit ist der Versuch, uns erneut auf diese eindeutigen Unterschiede hinzuweisen und sie zu erklären. Immer wieder kommt er darauf zurück, dass beide Hemisphären nötig sind, um die meisten Funktionen auszuführen, um die es uns hier geht.
    McGilchrist argumentiert auf der Grundlage dessen, was wir über die Funktionsweise der jeweiligen Hemisphäre wissen, und der Tatsache, dass die Teilung des Gehirns sich im Verlauf der Evolution immer stärker ausgeprägt hat – das menschliche Gehirn wird also zunehmend kleinteiliger. Das Corpus callosum, das die Kommunikation zwischen beiden Hemisphären unterbindet, wie man heute weiß, ist im Zuge der Evolution ebenfalls größer geworden. Daran wirddeutlich, dass wir als Spezies dazu bestimmt sind, immer differenziertere Gehirne zu haben, wenn wir uns kontinuierlich weiterentwickeln. Vögel und Säugetiere haben ebenfalls geteilte Gehirne, und um die unterschiedlichen Arbeitsweisen der beiden Hälften zu erklären, führt McGilchrist als Beispiel einen Vogel an, der Körner von einem Kiesweg aufpickt. Der Vogel muss dazu in der Lage sein, die Körner von den gleich großen Kieseln zu unterscheiden, zugleich muss er auf mögliche Angreifer achten, um sich vor ihnen zu schützen, und nach potenziellen Partnern Ausschau halten. McGilchrist erläutert, dass Vögel die linke Gehirnhälfte dazu benutzen, um sich auf die Körner zu konzentrieren, und die rechte, um Unbekanntem gegenüber offen zu sein. Beim menschlichen Gehirn ist die rechte Hemisphäre ebenfalls auf eine aufmerksamere, kontinuierlichere und offenere Weise aktiv, während die linke Hemisphäre einen viel eingeschränkteren, detailorientierteren Fokus hat. Die linke Hemisphäre kontrolliert die rechte Seite des Körpers und die rechte Hemisphäre die linke.
    McGilchrist nennt Beispiele von Patienten, die durch einen Unfall oder einen Schlaganfall ihre rechte Gehirnhälfte nicht mehr benutzen können; in einigen Extremfällen kann der Patient seine linke Körperhälfte nicht mehr wahrnehmen. Er beschreibt eine Frau, die sich weigerte zu akzeptieren, dass ihr linker Arm zu ihr gehörte, obwohl sie mit ihrem gesunden Auge sehen konnte, dass er mit ihrem Körper verbunden war. Durch die Beschädigung der rechten Hemisphäre waren die beiden Gehirnhälften voneinander getrennt worden, und die linke Hälfte war einer breiteren, intuitiveren Wahrnehmung der Welt nicht gewachsen: Ohne mit der rechten Hälfte kommunizieren zu können, musste sie sich vollständig auf das verlassen, was sie bereits wusste, nämlich dass sie für die rechte Seite des Körperszuständig war, nicht für die linke. Dadurch ergab sich der Schluss, dass das, was sie sah, nicht real war. Für eine ausgewogene und vernünftige Weltsicht sind also beide Gehirnhälften nötig, selbst wenn man immer noch ein relativ normales Leben führen kann, wenn man das Pech hat, eine der beiden Hälften zu »verlieren«.
    Das Faszinierende an diesen unterschiedlichen Perspektiven ist laut McGilchrist die Art und Weise, wie die Frontallappen es uns ermöglichen, uns von unseren unmittelbaren Erfahrungen zu distanzieren. Diese Distanz – die durch unser Bewusstsein möglich wird und aus den Perspektiven beider Gehirnhälften entsteht – erlaubt es uns, unsere Umwelt zu beeinflussen und zu ordnen und uns in sie und in andere Lebewesen hineinzuversetzen, denen wir begegnen. In einer seiner Vorlesungen reduziert McGilchrist sein umfangreiches Werk auf eine Liste von Handlungen, die die jeweilige Gehirnhälfte vollführt und aus der die unterschiedlichen Wahrnehmungen beider Hälften entstehen:
    Die Welt der linken Hemisphäre beruht auf denotativer Sprache und Abstraktion, sie erzeugt Klarheit und die Fähigkeit, mit Bekanntem umzugehen, das festgelegt, statisch, isoliert, dekontextualisiert, eindeutig und allgemein, aber letztlich leblos ist.
    Die rechte Hemisphäre hingegen bringt eine Welt voller individueller, veränderlicher, sich entwickelnder, vernetzter, implizierter, personifizierter Lebewesen hervor, die im lebensweltlichen Kontext stehen. Dieser ist jedoch niemals völlig greifbar oder erfassbar.
    McGilchrist bezeichnet die
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