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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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erwähnen, dass Sie planen, nach Vietnamzu fahren, dauert es nicht lange, bis jemand geringschätzig bemerkt: »Ach, da war ich schon« und das Terrain im Gespräch mit seiner Fahne markiert, als wäre er Christoph Kolumbus höchstpersönlich. Wenn wir reisen, wollen wir das Gefühl haben, wir hätten etwas geleistet, aber die Strukturen, denen wir uns unterwerfen, scheinen das unmöglich zu machen. Das Bedürfnis nach Ordnung wird von den Inklusivangeboten und den Pauschalreisen der Reiseveranstalter bedient, doch selbst wenn wir uns nicht in ihre Hände begeben, klappern die meisten von uns eine Reiseroute ab, die nur die üblichen Sehenswürdigkeiten enthält.

    Ich glaube, dass es eine Kombination aus diesen Bedürfnissen ist, die das Paradox des modernen Reisens letztendlich erklärt. Wir sind ins Gegenteil von dem verfallen, was wir intuitiv darunter verstehen. Wir wollen das Exotische und das Unbekannte aus einem übergeordneten und vertrauten Blickwinkel erleben. Es ist verlockend, daraus den Schluss zu ziehen, dieses Bedürfnis nach Zuverlässigkeit und Ordnung sei daran schuld, dass wir auf die »falsche« Weise reisen, während meine Idee, mit einem Milchwagen durch England zu fahren, und die Eingebung, die die Familie Isaacson dazu brachte, die Mongolei zu Pferd zu durchqueren, Beispiele für »richtiges« Reisen sind. Aber eigentlich gibt es kein »richtig« oder »falsch«. Die meisten Menschen würden wahrscheinlich nicht in einem alten Milchwagen durch England fahren, genauso wenig wie ich die Buddha Bar in Marbella aufsuchen würde. Ich habe den Eindruck, wir alle wollen eine Kombination aus beidem , doch die Infrastruktur, die uns angeboten wird, ist auf Bequemlichkeit und Zuverlässigkeit ausgerichtet, und nur wenige unter uns sind daraufvorbereitet, sich einer Reise ins Unbekannte auszusetzen. Wir brauchen einen Mittelweg oder zumindest die Einsicht, dass beides möglich ist, damit wir bewusst zwischen beidem wählen können.
    Wir haben bereits gesehen, auf wie verschiedene Art und Weise wir auf unser Bewusstsein zugreifen, doch das Gehirn ist sehr viel komplizierter und unergründlicher als der Unterschied zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Auf der Suche nach weiteren Informationen über das Gehirn stieß ich auf ein Werk des Psychiaters und Philosophen Iain McGilchrist mit dem Titel The Master and His Emissary. Wie Zeki interessiert sich McGilchrist sowohl dafür, wie die Arbeitsweise des Gehirns unser Leben und unsere Entscheidungen beeinflusst, als auch für seine komplexen Funktionsmechanismen, und er konzentriert seine Überlegungen darauf, beides miteinander zu verbinden. Der Titel seines Buchs verweist auf den Kampf, der seiner Ansicht nach zwischen den beiden Hemisphären des Gehirns ausgefochten wird. Eine Seite scheint immer zu gewinnen, was der Grund dafür ist, dass wir unsere Weltsicht zunehmend diesem Blickwinkel angleichen.
    McGilchrist hat die Analogie von Herr und Knecht von Nietzsche entlehnt und als Kampf zwischen Herrn ( Master ) und Abgesandtem ( Emissary ) neu formuliert. Der Herr wird als spiritueller Führer beschrieben, dessen Weisheit es seinen Untertanen erlaubt, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Um den Überblick zu behalten, muss er Abstand von den Alltagssorgen seines Volkes halten und eine Reihe von Abgesandten benutzen, die an seiner Stelle handeln. Einer von ihnen ist so tüchtig, dass der Herr sich bald vollkommen auf ihn verlässt. Nach einiger Zeit beginnt der Abgesandte sich zu fragen, was der Herr eigentlich tut. Er ärgert sich zunehmend darüber, dass er derjenige ist, der dieganze Arbeit erledigen muss. Schließlich stürzt er den Herrn und begreift erst danach, worin dessen Funktion eigentlich bestand. Da der Abgesandte unfähig ist, weise Ratschläge zu geben, bricht die Gesellschaft bald zusammen.
    Für McGilchrist steht der Herr für die rechte Hemisphäre des Gehirns und der Abgesandte für die linke. Die rechte Hälfte ist eher intuitiv und allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, während die linke von Struktur und Ordnung bestimmt wird. Die linke Hemisphäre verleiht der Welt mittels der Sprache eine Ordnung. Die rechte Hemisphäre spielt dagegen eine abstraktere Rolle. Für McGilchrist liegt das Wesentliche darin, ein Gleichgewicht zwischen den Wahrnehmungen beider Hemisphären zu schaffen; im Westen hätten wir uns jedoch daran gewöhnt, dem Abgesandten – der linken Hemisphäre mit ihrer Vorliebe für Ordnung und
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