Small World (German Edition)
vielleicht ist sie doch keine kalte alte Frau.
Damit begann ein kurzer Kampf um Konrad Langs Befreiung aus dem Alters- und Pflegeheim »Sonnengarten«.
Simone versuchte vergeblich, sich mit Rosemarie Haug zu treffen. Schließlich sagte ihr deren Hauswart, sie sei für eine Weile verreist.
Typisch, dachte Simone.
Sie fand über die Heimverwaltung den Namen des einweisenden Arztes heraus und erhielt ohne weiteres einen Termin, als sie ihm erklärte, daß es sich um Konrad Lang handele.
Der Arzt hieß Dr. Wirth und war nicht unsympathisch. Er empfing sie in seinem Büro in der Klinik und hörte ihr geduldig zu, als sie ihm erklärte, daß nach ihrem Eindruck Konrad Lang nicht in diese Umgebung gehöre und sie das Gefühl habe, wenn er jetzt nicht krank sei, werde er es dort bestimmt.
»Kennen Sie Konrad Lang gut?« war seine erste Frage, als sie geendet hatte.
»Nein, aber die Familie meines Mannes kennt ihn sehr gut. Er ist praktisch mit meinem Schwiegervater aufgewachsen.«
»Teilt er ihren Eindruck?«
Simone wurde etwas verlegen. »Er hat ihn nicht besucht. Er ist sehr beschäftigt.«
Dr. Wirth nickte verständnisvoll.
»Das Verhältnis der beiden ist nicht sehr gut. Gewisse Vorkommnisse aus der Vergangenheit.«
»Der Brand auf Korfu.«
»Ja, unter anderem. Ich kenne die genauen Gründe auch nicht. Ich bin neu in der Familie.«
»Sehen Sie, Frau Koch, ich verstehe sehr gut, was Sie empfinden, aber ich kann Ihnen versichern, Ihr Eindruck ist falsch. Wenn Ihnen Herr Lang einen präsenten Eindruck gemacht hat, dann deshalb, weil er mit den Floskeln und Formen seiner Erziehung vieles übertünchen kann und weil Sie ihn vielleicht in einem guten Moment angetroffen haben. Hochs und Tiefs sind typisch für die Krankheit. Aber wir müssen unsere Dispositionen für die Tiefs treffen.«
»Das sehe ich anders. Man sollte sein Leben nach den Hochs ausrichten.«
»Was schlagen Sie also vor?«
»Sie holen ihn dort raus.«
»Und dann, wer pflegt ihn?«
»Mit Frau Haug ist wohl nicht mehr zu rechnen?« erkundigte sich Simone etwas spitz.
Dr. Wirth reagierte gereizt. »Frau Haug hat mehr getan für Konrad Lang, als man einer Frau nach so kurzer Bekanntschaft zumuten kann. Ich war es, der sie überredet hat zu diesem Schritt.«
»Ich hoffe, sie genießt ihre wiedergewonnene Freiheit.«
»Frau Haug ist mit einer Erschöpfungsdepression in einer Klinik am Bodensee, und ich hoffe, sie kommt bald wieder auf die Beine. Wenn jemand seine Verpflichtungen Herrn Lang gegenüber vernachlässigt hat, ist es die Familie Koch, Frau Koch.«
Simone schwieg betreten. Dann sagte sie, etwas weniger selbstbewußt: »Vielleicht ist es nicht zu spät, einiges wiedergutzumachen.«
»Wie stellen Sie sich das vor?«
»Privatpflege. Ich könnte mir vorstellen, daß man eine Privatwohnung entsprechend einrichtet und privates Pflegepersonal einstellt.«
»Vierundzwanzig Stunden, Frau Koch, das bedeutet rund um die Uhr drei bis vier ausgebildete Fachleute für die Pflege plus Leute für Therapie, Diätküche, Reinigung, medizinische Betreuung. Eine kleine Klinik für einen einzigen Patienten.«
»Ich habe die volle Unterstützung von Frau Senn.«
Als Simone Koch die Klinik verließ, besaß sie Dr. Wirths Versprechen, sich die Sache zu überlegen und mit den Kollegen und den zuständigen Stellen zu erläutern. Er zweifelte nicht daran, daß die Behörden und die Heimverwaltung das Angebot mit Handkuß entgegennehmen würden. Er war nur nicht sicher, wie Rosemarie darauf reagieren würde. Er würde jedenfalls seinen Teil dazu beitragen, sie zu überzeugen.
Simones Plan, das kleine Gästehaus in ein Minipflegeheim umzuwandeln, ging Elvira dann doch etwas zu weit. Sie wollte ihn zwar unter Kontrolle haben, aber so eng nun doch wieder nicht.
»Glaubst du nicht, eine Privatklinik wäre die vernünftigere Lösung?«
»Er braucht keine Klinik«, beharrte Simone, »er braucht nur etwas Betreuung, wenn er eines seiner Tiefs hat.«
»Ich habe ihn hier gesehen, er war völlig verwirrt.«
»Da hatte er eben ein Tief.«
»Wenn du Koni hierher bringst, dreht dein Mann durch. Von Thomas ganz zu schweigen. Es muß eine Lösung geben, die uns alle weniger belastet.«
»Manchmal kann man nicht vor seiner Verantwortung davonlaufen.«
»Wir sind nicht für Konrad Lang verantwortlich.«
»Irgendwie gehört er zur Familie.«
Elvira reagierte gelassen. »Was weißt du schon von der Familie«, war alles, was sie entgegnete.
»Kommt nicht in
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