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Small World (German Edition)

Small World (German Edition)

Titel: Small World (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Kapitalerhöhung im Bereich Elektronik, Thomas an Salomé Winter, dreiundzwanzig, und Simone an Konrad Lang.
    Konrad Lang saß mit Schwester Ranjah im Wohnzimmer des Gästehauses. Kein Mensch ahnte, woran er dachte.
    Am Morgen des Weihnachtstages klopfte Simone an die Tür ihres Schwiegervaters, fest entschlossen, ein Weihnachtswunder zu erwirken.
    Thomas Koch wand sich, fand tausend Ausflüchte, protestierte und bettelte. Aber Simone ließ nicht locker.
    Vielleicht war es die Vorfreude auf die Karibik, vielleicht der Armagnac 1875, dem er zu Ehren des Geburtsjahres seines Vaters zugesprochen hatte, vielleicht war es seine Schwäche, jungen, hübschen Frauen keine Bitte abschlagen zu können, oder vielleicht war es nur die Rührung, die ihn bei der Vorstellung befiel, zu so einer großen Geste fähig zu sein; jedenfalls tauchte er vor seiner Abreise bei Konrad Lang im Gästehaus auf.
    Als er ins Zimmer kam und Konrad reglos am Fenster sitzen und tief in sich hineinstarren sah, bereute er seinen Entschluß bereits. Dennoch setzte er sich zu ihm. Simone ließ die beiden allein.
    »Urs hat Glück mit seiner Frau«, sagte Thomas.
    Konrad verstand nicht.
    »Simone, die eben rausgegangen ist.«
    Konrad erinnerte sich nicht.
    »Ich schiffe morgen auf der ›Why not?‹ ein.«
    Konrad reagierte nicht.
    »Die Jacht der Barenboims«, half Thomas.
    »So«, sagte Konrad.
    »Brauchst du etwas? Soll ich dir etwas bringen?«
    »Was?«
    »Irgend etwas.«
    Konrad überlegte. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, wenigstens so weit, daß er eine Antwort geben konnte. Aber dann, als er das Gefühl hatte, es könnte ihm gelingen, wußte er nicht mehr, worauf er antworten sollte.
    »Soso«, sagte er schließlich.
    Thomas Koch war kein geduldiger Mann. »Enfin bref: Wenn dir etwas in den Sinn kommt, laß es mich wissen.«
    »D’accord«, antwortete Konrad.
    Thomas setzte sich wieder. »Tu préfères parler français?«
    »Si c’est plus facile pour toi.«
    Sie unterhielten sich auf französisch über Paris. Koni klärte Thomas darüber auf, wo man neuerdings die besten Austern ißt bei den Hallen, und wollte wissen, ob er »Eclair« diese Saison in Longchamps laufen lasse.
    Die Hallen waren 1971 abgerissen worden, und Thomas besaß seit 1962 keine Rennpferde mehr.
    Der Trick mit dem Französisch funktionierte nicht bei Simone. Es war, als ob Konrad diese Sprache, die ihm Zugang zu einem Teil seiner Erinnerung verschaffte, nur mit Thomas Koch in Zusammenhang brachte.
    Aber am Abend erlebte sie ihr zweites Weihnachtswunder.
    Simone hatte sich in der Villa ein Zimmer nach ihrem Geschmack eingerichtet. Viel Geblümtes an Sesseln, Recamière, Vorhängen und Kissen; viel Spitze und Trockengestecke und ein künstlicher Duft von Sommernachmittagen, der mehreren Schalen mit getrockneten Blütenblättern entströmte. Das »Laura-Ashley-Zimmer« nannte es Urs spöttisch und machte keinen Hehl daraus, daß er es abscheulich fand. Aber für Simone war es das einzige Refugium in diesem großen Haus mit seiner Mischung aus düsterem Gründerstil und strengem Bauhaus.
    Als Simone ins »Laura-Ashley-Zimmer« kam, lag ein gelbes Kuvert auf ihrem Schreibtischchen.
    »Habe doch noch ein paar Fotos gefunden. Gott, sind wir alt geworden! Viel Glück. Thomas«, war hastig auf ein Blatt Papier gekritzelt.
    Die Bilder glichen sich: unbeschwerte junge Menschen in der Skikleidung der Fünfzigerjahre an einem langen Tisch in einer Skihütte. Unbeschwerte junge Menschen in Badeanzügen der Sechzigerjahre an der Reling einer Jacht. Unbeschwerte junge Menschen in Abendkleidung der Fünfzigerjahre mit Silvesterhütchen und Papierschlangen an einem langen Tisch. Unbeschwerte junge Menschen in Freizeitkleidung der Fünfzigerjahre im offenen Kabrio. Auf allen Fotos war Thomas Koch zu erkennen und auf den meisten auch Konrad Lang.
    Konrad Lang reagierte auf die Fotos, wie Simone es sich erhofft hatte.
    »Das war Silvester«, sagte er, als sie ihm das Bild der fröhlichen Festgesellschaft zeigte. »Im Palace.«
    »In welchem Jahr?« fragte Simone.
    »Im letzten.«
    Beim Bild mit dem Kabrio zeigte er auf den Fahrer: »Der da ist Peter Court. 1955 ist er kurz hinter Dover frontal mit einem Viehtransporter zusammengestoßen. Kam nach drei Monaten aus Europa zurück und hatte Probleme mit dem Linksverkehr. Sechsundzwanzig.«
    Beim Foto aus der Skihütte schüttelte er verwundert den Kopf: »Serge Payot! Daß der noch lebt.«
    Dann griff er zum Gruppenbild auf der Jacht und

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