Small World (German Edition)
der schwenk- und fahrbaren Tischplatte aufbauten, auf der jetzt Konrads Mahlzeiten serviert wurden.
Erst als sie sie über sein Bett manövrierten und Simone die Fotokopien von seiner Bettdecke nahm und sagte: »Ach ja, machen wir das schnell zwischendurch«, wurde er auf den Apparat aufmerksam. »Was ist das?« fragte er Schwester Irma.
»Ein Inhalationsapparat. Zum Inhalieren.«
»Ach so«, nickte er. Aber man sah ihm an, daß er nicht wußte, was er damit anfangen sollte.
»Wir ziehen Ihnen die Maske an, und dann atmen Sie ein paarmal tief ein. Das ist alles.«
»Ach so«, nickte er. Dann schaute er Simone an, grinste und zuckte die Schultern.
»Das wird dir guttun«, sagte sie. Konrad ließ sich widerstandslos die Maske umschnallen.
Dr. Kundert befahl: »Einatmen – ausatmen – einatmen – ausatmen.« Konrad Lang gehorchte. Beim fünften Einatmen drückte Kundert den Ventilknopf am Vernebler und ließ ihn beim Ausatmen wieder los. Konrad atmete ruhig weiter.
Nach sieben Inhalationen drückte Kundert nicht mehr auf den Knopf, ließ Konrad noch ein paarmal durchatmen und schnallte ihm dann die Maske ab.
»Schon passiert«, lächelte er. »Wie fühlen Sie sich?«
Wieder schmunzelte Konrad Simone an und zuckte die Schultern.
Die Schwester fuhr die Tischplatte weg, Simone legte die Fotos wieder auf die Bettdecke. Als Kundert und die Schwester das Zimmer verließen, hörten sie Konrad Lang sagen: »Der Mercedes macht hundertzehn.«
Langsam glitt das Boot den Fluß hinunter. An beiden Ufern wuchs der Dschungel ins Wasser. Koni tauchte das Paddel ein, schlug, nahm es hoch, brachte es nach vorn, tauchte es ein, schlug, nahm es hoch, brachte es nach vorn, tauchte es ein. Immer schneller glitt das Boot, floß der Fluß, glitt das Boot, floß der Fluß.
Jetzt hörte Koni eine Stimme. Sie sagte: »Rudern, rudern.«
Koni tauchte das Paddel ein, schlug, nahm es hoch, brachte es nach vorn, tauchte es ein, schlug.
»Rudern, rudern«, sagte die Stimme.
Ich rudere ja, dachte Koni.
»Atmen, atmen«, sagte die Stimme.
Koni schlug die Augen auf. Ein Gesicht schaute auf ihn herab. Mund, Nase und Haare waren mit einem weißen Tuch bedeckt. Er sah nur die Augen.
»Atmen, atmen«, sagte das Gesicht.
Koni atmete. Plötzlich durchzuckte ihn ein entsetzlicher Schmerz. Er wollte sich an den Bauch fassen, aber er konnte nicht. Seine Hände waren angebunden.
Er schrie. Jemand drückte ihm eine Maske vor Mund und Nase.
Koni versuchte den Kopf wegzudrehen.
Jemand hielt seinen Kopf fest. Sein Bauch tat weh.
»Atmen, atmen«, sagte die Stimme.
Koni hielt den Atem an.
»Atmen, atmen.«
Koni atmete.
Der Schmerz ging weg.
»Rudern, rudern«, sagte die Stimme.
Koni tauchte das Paddel ein, schlug, nahm es hoch, brachte es nach vorn, tauchte es ein, schlug. Immer schneller glitt das Boot, floß der Fluß, glitt das Boot.
»Rudern, rudern.«
»Atmen, atmen.«
»Atmen.«
»Atmen!«
Koni schlug die Augen auf. Es war dunkel. Er schrie. Und schrie. Und schrie.
Die Tür flog auf, und das Licht ging an. Schwester Ranjah rannte zu Konis Bett.
Er hatte die Bettdecke zurückgeschlagen und hielt sich den Bauch, den er freigelegt hatte.
»Now then, now then«, sagte Schwester Ranjah und streichelte sein Gesicht.
»It hurts«, wimmerte Koni.
»Let’s see.« Ranjah zog sanft seine Hand weg. Darunter kam Konrads alte Blinddarmnarbe zum Vorschein.
Simone hatte eine schlechte Nacht. Sie schlief unruhig und erwachte kurz nach zwei. Lange versuchte sie, gleichmäßig weiterzuatmen, damit Urs, der einen leichten Schlaf hatte, nicht merkte, daß sie wach lag, und wieder anfing, sie zu bedrängen. »Was ist? Ist dir nicht gut? Soll ich dir etwas bringen? Soll ich den Arzt rufen? Da stimmt doch etwas nicht. Das ist doch nicht normal. Vielleicht sollten wir den Arzt wechseln. Du schonst dich zuwenig. Das ist dieser Unfug mit Koni. Du hast gesagt, das werde besser mit dem neuen Arzt. Du trägst jetzt Verantwortung für zwei. Das ist nicht nur dein Kind, es ist auch meins. Soll ich dir etwas bringen? Mußt du ins Bad, Schatz?«
Erst als sie den Lichtstreifen unter der Tür sah, die zum »Boudoir« führte, merkte sie, daß sie allein im Bett lag. Sie machte Licht.
Langsam begann sich das Zimmer zu drehen, und der Speichel lief ihr im Mund zusammen. Sie setzte sich auf den Bettrand und versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Plötzlich schien ihr, als hörte sie Urs’ Stimme im Boudoir. Sie stand langsam auf, ging zur
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