Small World (German Edition)
Tür und öffnete sie.
Urs saß halb auf dem kleinen Schreibtisch, lächelte und hatte den Telefonhörer ganz eng an sein Gesicht gepreßt. Er reagierte so ertappt auf Simones Eintreten, daß es sinnlos war, ihr etwas vorzumachen. Er blieb einfach sitzen, ließ den Hörer sinken und schaute zu, wie sie angewidert die Tür hinter sich schloß.
Simone schaffte es gerade noch bis zur Toilette. Dann übergab sie sich wie noch nie zuvor in ihrem Leben.
Sie wußte nicht, wie lange sie vor der Kloschüssel gekniet hatte. Aber als sie bleich und erschöpft aus der Toilette kam, wurde sie von Dr. Spörri erwartet. Sie führte ihn in ihr Laura-Ashley-Zimmer und würdigte Urs, der neben ihm stand, keines Blickes. Sie schloß die Tür und legte sich auf die Recamière. Der Arzt maß ihren Puls und Blutdruck.
»Sie müssen ins Spital, bis es besser wird.«
»Das wird nicht besser im Spital.«
»Aber dort können wir Sie künstlich ernähren. Sie nehmen nicht zu, Sie dehydrieren. Das ist sehr schlecht für Ihr Baby.«
»Künstlich ernährt werden kann ich auch hier.«
»Sie brauchen Pflege und Kontrolle, das geht nur im Spital.«
»Ein Spital habe ich auch hier.«
Kurz nach Sonnenaufgang hing Simone bereits an der Infusionsflasche in einem der beiden Personalschlafzimmer im ersten Stock des Gästehauses. Urs hatte einen schwachen, vergeblichen Versuch gemacht zu protestieren.
»Sei du ruhig«, sagte sie nur, und er kuschte sofort.
Dr. Spörri zeigte sich nach anfänglicher Skepsis beeindruckt vom Standard des Gästehauses, von dessen Belegschaft und Ausrüstung.
Schwester Ranjah bereitete routiniert die Infusion vor, und als Dr. Spörri sie angelegt hatte, fixierte sie mit leichter Hand die Kanüle und den Infusionsschlauch.
Kurz darauf schlief Simone ein.
Simone erwachte durch ein etwas gekünsteltes Hüsteln. Sie öffnete die Augen und sah Schwester Irma neben ihrem Bett stehen. Sie war dabei, die Infusionsflasche auszuwechseln.
»Ihr Mann war hier«, lächelte sie. »Ich habe gesagt, Sie dürften nicht gestört werden.«
»Gut. Sagen Sie ihm das auch in Zukunft. Wie spät ist es?«
»Kurz nach zwei.«
Simone erschrak. Acht Stunden hatte sie geschlafen. »Und Herr Lang?«
»Alles startbereit.«
»Warum hat man mich nicht geweckt?« Simone schlug die Decke zurück und wollte aufstehen. Schwester Irma legte ihr die Hand auf die Schulter. »Dr. Kundert hat gesagt, ich darf Sie nicht wecken. Aber wenn Sie wach seien, solle ich ihn rufen. Das tue ich jetzt. Und Sie warten.«
Kurz darauf kam Kundert herein.
»Ich dachte, ich werde dabei gebraucht?« fragte Simone.
»Wir wollten abwarten, ob Sie beim Auswechseln der Infusion aufwachen.«
»Und wenn ich nicht aufgewacht wäre, hätten Sie ohne mich angefangen?«
Kundert schmunzelte. »Sie sind ja aufgewacht.«
»Also, nehmen Sie mir das ab.« Sie hielt ihm den Arm hin.
»Fühlen Sie sich wirklich dazu in der Lage? Ich glaube nicht, daß es Probleme geben wird. Schwester Ranjah ist auch da. Sie wirkt beruhigend auf den Patienten.«
»Ist er denn unruhig?«
»Er hatte eine unruhige Nacht. Deswegen ist Schwester Ranjah gekommen. Für alle Fälle, sagt sie.«
»Nehmen Sie mir das bitte ab.«
Kundert stand auf, holte Desinfektionsmittel und ein Pflaster, klemmte das Infusionsbesteck ab, entfernte die Kanüle, desinfizierte und verband die Punktionsstelle. Dann ging er hinaus. »Wir erwarten Sie unten.«
In Konrads Schlafzimmer war der Aerosolapparat auf der fahrbaren Tischplatte aufgebaut, die außerhalb seines Gesichtsfeldes schräg hinter dem Bett stand. Kundert, O’Neill und Schwester Irma standen daneben und nickten Simone zu, als sie ins Zimmer trat.
O’Neills Frisur ließ auf eine unruhige Nacht schließen.
An Konrads Bett saß Schwester Ranjah und schaute mit ihm Fotos an. Als Simone herantrat, blickte er kurz auf und begrüßte sie mit einem verwunderten Lächeln, das hieß: Wer bist du, schöne Fremde?
»Laßt euch nicht stören, ich wollte nur ein wenig mitschauen.«
Konrad war erfreut über soviel Publikum. Er fuhr fort, die Bilder zu erklären. Er war präsenter als am Vortag und hielt sich auch mit Bildern auf, die ihn sonst nicht sonderlich interessierten: Venedig, Sandstrand, Mailänder Dom.
Im Hintergrund öffnete Dr. O’Neill einen Kühlbehälter und entnahm ihm eine kleine Ampulle, desinfizierte ihren Gummipfropfen, stach eine Aufziehkanüle hinein und zog ihren Inhalt auf. Er injizierte ihn in den Vernebler des Aerosolapparates
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