Smart Magic
schwieg einige Momente lang und sah den beiden Jüngeren zu, die einen Stein nach dem anderen warfen und dabei eher harmlose Beleidigungen austauschten.
»Ich bleib hier«, entschied er. »Karo ist zum ersten Mal von zu Hause weg. Ich will nicht, dass sie Angst bekommt.«
»Angst? Karo?« Alex lachte leise. »In einer Woche hat die halbe Bande hier Angst vor ihr.«
Er sah das Ufer entlang zu der Stelle, wo der Wald bis an den See reichte. Eine Gruppe älterer Jugendlicher stand dort zusammen. Einige rauchten, und Tom sah, dass sie Alex’ Blick bemerkten.
»Wenn du so’n Langweiler bist, checke ich mal, was die da so machen.«
Ohne auf Toms Protest zu hören, stand Alex auf und schlenderte den See entlang. Tom kannte den Gang; Alex bewegte sich, wie er es in ihrem Kiez tun würde, selbstsicher, locker, wie jemand, der es draufhatte eben. Die Gruppe sah nun geschlossen zu ihm hinüber, aber Alex schien die Aufmerksamkeit nichts auszumachen. Er gesellte sich zu ihnen, und sofort bildete sich in ihrem Kreis eine Lücke, die ihn aufnahm. Er sagte etwas, alle lachten, dann reichte ihm jemand eine Zigarette.
Offenbar war das der Teil der Zeltenden, die Muttis Warnungen nicht allzu ernst nahmen.
»Tom, das Wasser ist voll kalt!«, rief Karo, die ihre Hose bis zu den Knien hochgekrempelt hatte und im See stand. Das Wasser spielte um ihre dünnen Beine, und sie winkte ihm mit einem breiten Lächeln zu. »Komm her.«
Er stand auf, klopfte sich das Gras von der Cargohose und setzte sich seufzend in Bewegung.
Es war spät am Abend, als sich Alex still davonmachte. Er hatte nicht viel von seinen neuen Bekannten erzählt, wohl aber durchblicken lassen, dass er nun doch nicht allein unterwegs sein würde. Benny schlief schon, in seinen Schlafsack eingewickelt und von dem aufregenden Tag erschöpft. Karo war in einem anderen Zelt mit einigen Mädchen untergebracht worden, während Tom und Alex in einem runden Zelt gemeinsam mit drei anderen schlafen sollten. Im Dunkeln sah Tom, wie sich Alex’ Schatten zwischen den Schlafenden bewegte, dann hörte er den Reißverschluss, und dann war da nur noch das leise Atmen der anderen.
Tom seufzte, als ihn unvermittelt eine gewisse Unruhe ergriff. Alex würde irgendwelche Abenteuer erleben, während er selbst brav auf seiner Matte liegen blieb – wie alle Kinder hier. Obwohl er eigentlich keine Lust auf Ausflüge hatte, traf ihn dieser Gedanke irgendwie. Ist doch bestimmt ganz lustig da draußen. Und ohne mich macht Alex sowieso bloß irgendeinen Scheiß.
Schnell wand er sich aus dem Schlafsack, schlüpfte in seine Hose und die Sneaker, nahm noch einen Kapuzenpulli mit und schlich zum Zelteingang. Er streckte den Kopf hinaus, hielt kurz inne und lauschte, ob jemand auf sein Verschwinden aufmerksam wurde, aber als er nichts Auffälliges hörte, schlüpfte er hinaus. Alex hatte natürlich den Reißverschluss nicht wieder geschlossen, aber Tom holte das nach, bevor er geduckt zwischen den Zelten entlanglief, möglichst außer Sicht der Haupthütte, in der die Betreuer schliefen. An der Sanitärhütte brannte eine einsame Lampe, doch Tom brauchte sie nicht, denn der Mond am sternenklaren Himmel spendete genügend Licht.
Als er den Waldrand erreichte, sah er sich wieder um. Alex hatte gesagt, dass sie ins Dorf wollten, also mussten sie den Weg nehmen, der durch den Wald führte. Wenn er sich beeilte und ein Stück quer durch den Wald abkürzte, konnte er sie vielleicht noch einholen. Also rannte er los, musste aber nach wenigen Metern sein Tempo drosseln. Der Wald sah nicht besonders dicht aus, doch das Unterholz war in der Dunkelheit ein weitaus schwerer zu überwindendes Hindernis, als er gedacht hatte. Zudem sorgten die hohen Bäume dafür, dass es im Wald richtig dunkel war, und schon bald tastete sich Tom eher von einem Stamm zum nächsten, als dass er lief. In Filmen geht das immer so einfach, nachts im Wald herumzulaufen. Verdammter Mist! In welcher Richtung lag noch mal der blöde Weg?
Sein Plan, die anderen einzuholen, wurde von den Schatten des Waldes verschlungen. Tom stolperte mit seinem verstauchten Fuß über eine Wurzel und prallte schmerzhaft gegen einen Baum, wollte sich festhalten, rutschte aber ab und fiel auf den Boden. Ein Stein bohrte sich in seine Seite und ließ ihn fluchen.
»Scheiß Wald! So ein Dreck!«
Als er sich wieder aufrappelte, wurde ihm klar, dass es keinen Sinn hatte, weiterzugehen. In dem Tempo würde er niemanden einholen und sich höchstens
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