SMS für dich
Ecke drang, hatte Sven Schwierigkeiten, die Buchstaben zu entziffern. Aber er fand sowohl
eine Pizza «Diavola» auf der Karte als auch den Hinweis auf die Besitzer: Giuseppe & Marina Ventorino. Beppo ist die
Kurzform von Giuseppe, jubelte Sven innerlich.
Er versuchte, einen Blick durch die kleinen Fenster zu erhaschen. Soweit er erkennen konnte, hingen zwar einige Gemälde an
den Wänden des Restaurants, doch Mondbilder waren es nicht. Dennoch wusste er nun, wo er beginnen konnte, sich Clara zu nähern.
Gelassen und zufrieden machte er sich wieder auf den Weg nach Hamburg. Er musste breit grinsen, als er den Suchlauf im Radio
wieder anstellte und plötzlich der Song «Wish you were here» von Pink Floyd ertönte. Lauthals und äußerst gut gelaunt sang
er mit.
***
|163| «Bist du endlich fertig?»
Die nervige Frage von Hilke hört er nun schon zum vierten Mal. Endlich löst er seinen Blick von den Baukränen des Hamburger
Hafens und wendet sich seiner Kollegin zu, die nervös in ihrer Handtasche rumkramt, weil sie ihren Autoschlüssel nicht finden
kann.
«Gib’s zu», jammert sie. «Du hast meinen Schlüssel versteckt, damit du ohne meine Hilfe nach Lüneburg darfst. Stimmt’s?»
Sven wirft ihr einen strafenden Blick zu und verzieht seine Mundwinkel. Eigentlich muss er erst noch eine wichtige E-Mail zu Ende zu bringen, hat aber schon den ganzen Tag große Mühe, sich zu konzentrieren. Auch wenn er versucht, seine innere
Nervosität zu verbergen, kommt es ihm so vor, als würde ihm jeder auf zehn Meter Entfernung ansehen, wie aufgewühlt er ist.
Gleich wird er mit seiner Kollegin nach Lüneburg fahren und im «Castello» speisen. Sven hofft, bei der Gelegenheit vom Inhaber
Näheres über Clara zu erfahren. Bereits am Telefon heute Nachmittag entsprach Giuseppe Ventorino ganz dem Klischee eines plappernden
Italieners. Er schien sich überhaupt nicht darüber zu wundern, dass sich ein Journalist für Bilder interessierte, die noch
gar nicht in seinem Restaurant ausgestellt waren. Bereitwillig gab er Auskunft darüber, dass die junge Künstlerin ihre überaus
gelungenen Werke ab kommender Woche freundlich zur Verfügung stelle. Er geriet über die «bella ragazza» und ihre Bilder derart
ins Schwärmen, sodass Sven sofort dachte, der windige Gastronom hätte sicher nicht nur eine nette Deko für seine kahlen Wände
im Auge, sondern würde auch eine satte Provision bekommen, falls sich die Bilder gut verkauften.
|164| «Da, ich hab ihn. Wir können!», sagt Hilke in einem Ton, der nach Kommandant bei der Bundeswehr klingt.
«Du machst mich wahnsinnig! Dürfte ich bitte noch diese Mail an den Staatssekretär fertig schreiben?», fragt Sven im selben
Ton zurück. Doch Hilke zeigt sich keinen Deut beeindruckt.
Bereits zwanzig Minuten später fahren sie von der A 1 auf die A 250 Richtung Lüneburg. Sven ist mehr als froh darüber, dass Hilke die ganze Zeit am Handy hängt. Sie versucht, ihre Schwiegermutter
übers Telefon zu besänftigen, nachdem diese beim letzten gemeinsamen Essen mit ihrem Sohn aneinandergeraten war. Was Sven
allerdings nicht behagt, ist die Tatsache, dass Hilke dies ohne Freisprecheinrichtung und bei einem gefühlten Tempo von 220 Stundenkilometern tut.
Da bietet sich ihm endlich Gelegenheit, der mysteriösen Clara näherzukommen, und er wird womöglich kurz vor dem Ziel verunglücken,
wenn Hilke weiterhin so rasant fährt. Mit einer Geste versucht er sie dazu zu bringen, das Tempo etwas zu drosseln. Aber sie
scheint es mindestens genauso eilig zu haben wie er.
Hilke ist aber auch zu neugierig, denkt Sven. Natürlich hat sie auch das Telefonat mit Beppo live mitbekommen. Aber Sven muss
zugeben, dass sie ihm heute Abend eine große Hilfe ist. Wenn sich auch vielleicht nicht alle Fragen klären lassen, so wird
er Clara zumindest einen Schritt näherkommen.
Immerhin weiß er von Beppo inzwischen auch, dass Clara mit Nachnamen Sommerfeld heißt. Und wenn der Mensch vom Lüneburger
Ordnungsamt sich am Telefon nicht so aufgebläht, sondern ein Auge zugedrückt hätte, |165| wüsste Sven auch längst ihre Anschrift oder zumindest ihr Geburtsdatum. Leider lieferte auch das Internet keine brauchbaren
Auskünfte, geschweige denn ein Foto.
Clara ist also noch immer gesichtslos. Am liebsten würde Sven sich jetzt mit Hilke darüber austauschen, ob sie wohl blond
oder dunkel, schlank oder rund, attraktiv oder unsympathisch ist.
Doch er hält sich
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