SMS für dich
möchten, um Clara als Malerin zu unterstützen.
«Aber sie geben dir das Geld doch gerne! Sie haben ja auch überhaupt nicht mit einer Erbschaft gerechnet. Und schon gar nicht
in dieser Größenordnung. Du kannst aber etwas wirklich Sinnvolles damit anfangen!»
«Ach, und wenn sie zum Beispiel eine Weltreise machen würden, ist das etwa weniger sinnvoll?»
|154| Ihre Mutter kniet sich zu ihr herunter und schaut sie liebevoll an.
«Aber Liebes, was würdest du denn tun, wenn du in ihrer Lage wärst? Glaubst du nicht, dass sie alles dafür geben würden, dich
wieder unbeschwert zu sehen?»
Plötzlich fühlt sich Clara noch kleiner. Am liebsten würde sie sich in den Arm nehmen lassen und einfach nur schlafen. Ihre
Mutter soll sie niemals wieder allein lassen. Clara ist vollkommen durcheinander. All die Bilder um sie herum sind voller
Emotionen – und doch stehen sie für die immer gleichen Gefühle.
«Warum hast du mich eigentlich immer zu ihnen abgeschoben?», bricht es plötzlich aus ihr heraus. Sie kann ihrer Mutter nicht
in die Augen sehen und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen.
«Was habe ich? Ich hab dich … abgeschoben?», fragt Karin, so leise, dass Clara es kaum wahrnehmen kann. «Ich dachte, du warst immer gern bei deinen Großeltern?!»
Clara blickt auf und schaut ihrer Mutter nun direkt in die Augen. Ihr Ausdruck ist finster. «Natürlich war ich das. Sie waren
ja auch für mich da, wenn ich sie gebraucht habe.»
Für eine kurze Zeit herrscht Stille.
«Und ich war nicht für dich da?», fragt Claras Mutter erstaunt und setzt sich neben Clara auf den Boden.
Clara muss schlucken. Tränen steigen in ihr auf, doch sie versucht sie so gut es geht zu unterdrücken.
Karin fragt weiter: «Was geht denn bloß in deinem Kopf vor? Sprich doch mit mir!»
«Ach, das ist dir doch eh total egal.»
«Was? … Was hab ich dir denn getan? Hab ich irgendwas Falsches gesagt?»
|155| «Du hast gar nichts gesagt! Das ist es ja …» Clara blickt ihre Mutter wütend an.
«Aber wozu denn um Himmels willen hab ich nichts gesagt?»
«Zum Beispiel, warum du dich einfach verdrückt hast, als Papa gestorben ist!»
Karin muss diese Anschuldigungen sacken lassen, bevor sie etwas entgegnen kann. Sie steht wieder auf, blickt auf Clara herunter
und sagt ernst: «Du denkst also, ich hab mir einen schönen Urlaub gemacht, während du mit Lisbeth und Willy allein getrauert
hast?»
Clara schaut betreten auf den Boden. Eine Träne rollt nun doch ihre Wange hinunter, sie zuckt mit den Schultern.
«Aber du weißt doch, dass ich Abstand von all dem gebraucht hab. Ich dachte immer, du wärst bei den beiden am besten aufgehoben.»
«Ich war trotzdem allein.»
«Und ich war überfordert. Wie sollte ich dir denn zur Seite stehen, wenn ich selber nicht mehr weiter wusste?»
«Jetzt tu doch nicht so. Du warst doch froh, dass Papa endlich weg war!»
«Clara!», schreit Karin – in einer Weise, wie Clara es noch nie gehört hat.
Clara steht nun auch auf, baut sich vor Karin auf und sagt: «Außer auf der Beerdigung hab ich dich nicht ein einziges Mal
weinen sehen!» Im gleichen Moment, in dem Clara dies sagt, bereut sie ihre harten Worte. Sie beißt sich auf die Lippe.
Karins Mundwinkel zittern. Sie starrt Clara fassungslos an und legt ihr die Hand auf den Arm.
|156| «Clara. Bitte glaub mir, noch immer schnürt mir der Gedanke an Papas Leiden die Kehle zu. Ich war tatsächlich erleichtert,
als er endlich erlöst wurde. Aber ich liebe ihn noch heute – genauso wie ich dich liebe!» Auch ihre Stimme zittert nun. Nach
einer kurzen Weile fährt sie fort: «Was glaubst du, wie oft ich im Stillen geweint habe, wenn du längst im Bett lagst?»
Clara atmet laut die Luft aus, die sie eine ganz Zeit lang angehalten hat, und fragt nun: «Aber wieso hast du nie was gesagt?»
«Ich habe immer dafür gesorgt, dass du nicht viel von all dem mitbekommst. Das fing schon an, als Papa mich inständig darum
bat, dir so lange es geht nichts von seiner Krankheit zu sagen. Und er hatte recht damit. Wir wollten dir so viel Unbeschwertheit
wie möglich lassen!»
«Aber damit ist es vielleicht nur noch schlimmer geworden.»
«Ach Liebes, komm mal her», flüstert ihre Mutter und nimmt Clara in die Arme – sanft und doch so stark, dass sie sich für
einen Moment wie ein kleines, schwaches Kind vorkommt.
Clara findet plötzlich keine Worte mehr für das, was sie ihrer Mutter noch alles sagen will. Sie
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