SMS für dich
übersprungen hat.
Ruckartig richtet Clara sich auf. Ihre Augen glühen, aber Sven kann nicht einordnen, warum sie so heftig reagiert. «Was ist
denn? Hab ich was Falsches gesagt?»
Clara zittert plötzlich am ganzen Körper und blickt sich suchend nach ihren Schuhen um.
«Clara, nun sag schon. Was ist denn los?»
Mit einem kalten Blick und bebenden Mundwinkeln zischt sie ihn an: «Woher weißt du von diesem Namen?»
Sven durchfährt es wie ein Blitz. Lilime! Wie konnte er nur so blöd sein?! Einen plumperen Einstieg in seine Beichte hätte
er nicht wählen können.
«Ich … also, hör zu, ich …»
«Kein Mensch auf dieser Welt weiß von diesem Namen», bohrt Clara weiter. «Soll das investigativer Journalismus sein, oder
was?»
Sven bringt kein Wort mehr heraus.
«Ich hoffe, es hat dir wenigstens Spaß gemacht, heimlich meine Sachen zu durchwühlen!»
Clara springt auf, schnappt sich wütend ihre Schuhe und ihre Tasche und rennt so schnell in Richtung Flur, dass Sven keine
Zeit bleibt zu reagieren und er nur hinterherrufen kann: «Clara! Clara, bitte, bleib stehen. Clara!»
|228| Doch sie dreht sich nicht mehr um, sondern knallt die Tür hinter sich zu und ist einfach verschwunden.
[ Navigation ]
Clara
Die ganze Fahrt über war Clara so in Gedanken, dass ihr gar nicht richtig klar ist, wie sie eigentlich so schnell aus Hamburg
weggekommen ist. Jedenfalls kann sie sich gar nicht daran erinnern, rechtzeitig auf die Autobahn Richtung Lüneburg abgebogen
zu sein. Und nun ist sie gleich da. Allerdings kann sie kaum noch die Schilder erkennen, weil ihre Augen so verquollen sind
und noch immer Tränen nachkommen.
Völlig verzweifelt überlegt sie, was sie jetzt machen soll. An diesem mehr als versauten Abend und generell an diesem Punkt
in ihrem Leben. Ein Leben, das Ben versaut hat, schimpft sie innerlich, obwohl das schlechte Gewissen sie sofort zurückholt
von solch wütenden und sogar hasserfüllten Gedanken.
Ohne das Für und Wider abzuwägen, folgt sie dem Impuls, eine Ausfahrt später abzufahren, in der Hoffnung, dass ihre Mutter
zu Hause ist und Zeit für sie hat.
Erleichtert darüber, dass Licht im Wohnzimmer zu sehen ist, klingelt Clara wenige Minuten später bei ihr an der Wohnungstür.
«Clara, mein Schatz. Was ist denn los?» Karin blickt ihre Tochter bestürzt an und schließt sie sofort in die Arme.
«Ach, Mama, es ist alles so schrecklich!», nuschelt Clara und vergräbt ihr Gesicht im Hals der Mutter. Sie weint bittere Tränen.
|229| «Schon gut, mein Liebes, schon gut», sagt Karin leise und streichelt Clara sanft über den Kopf. «Nun komm erst mal rein. Ich
sag eben Reinhard Bescheid, dass du da bist. Und dann mach ich dir deinen Lieblingstee, und du erzählst mir alles ganz in
Ruhe, wenn du magst. Ja?»
***
Obwohl Clara zwischendurch schon auf dem Sofa im Wohnzimmer eingeschlafen war, müde von dem kräftezehrenden Abend und dem
intensiven Gespräch mit ihrer Mutter und vielleicht auch von all dem Erlebten und Durchlittenen der letzten Monate, liegt
sie jetzt hellwach in dem beruhigend frisch duftenden Gästebett.
Die Worte ihrer Mutter wirken noch immer nach, doch je länger Clara darüber nachdenkt, desto ruhiger wird sie innerlich.
Es hat so gutgetan, endlich einmal ungefiltert zu klagen, darüber, dass ihr ein solcher Schicksalsschlag widerfahren ist.
Darüber, dass ihre Schuldgefühle sie noch immer mit hartnäckiger Regelmäßigkeit überfallen. Darüber, dass sie vergeblich so
viel Hoffnung in eine neue Liebe gesetzt hat. Und darüber, dass diese Hoffnung offenbar ohnehin bloß ein winziger Rettungsring
im riesigen Ozean war.
Ihre Mutter verstand zunächst nicht, dass das Problem gar nicht vordergründig Svens Schnüffeleien waren. Im Gegenteil, sie
verteidigte sein Verhalten sogar, da es doch nur veranschauliche, wie sehr sich dieser Mann für sie interessiere. Aber natürlich
musste auch ihre Mutter zugeben, dass Neugier ihre Grenzen hat.
Clara wollte beinahe schon dichtmachen, statt sich weiter |230| zu entblößen und sich am Ende noch einsamer und unverstandener zu fühlen. Doch dann bedurfte es gar keiner weiteren Erklärungen,
weil ihre Mutter auf einmal nachempfinden konnte, wie es wirklich in ihr aussah. Sie fand es sogar durchaus verständlich,
dass Clara sich schwer damit tat, Vertrauen zu einem Menschen aufzubauen. Auch wenn dieser Mensch nicht einfach von einem
Moment auf den nächsten wegläuft, weil er
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