Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Leere des Raumes und erzeugten eine Art unbehauster Unendlichkeit, die ich bisher mit dem Leben nach dem Tode assoziiert hatte. Eine identische Räumlichkeit schloss sich an, dann eine dritte und eine vierte, bis wir schließlich ein Gemach erreichten, in dem ein roter Liegesessel vor einem Flachbildfernseher stand. Mich erinnerte das an das Zuhause meiner früheren Nachbarn, junger New Yorker Investmentbanker, deren Downtown-Lofts (
loft spaces
, wie sie stolz dazu sagten) nach hastigem Rückzug im Krieg aussahen.
»Sieh dich um«, sagte Nana, die in ihre Rolle als American-Express-Reiseführerin zurückfiel. »Dies ist ein traditionelles Sevo-Haus, vom Grundriss her ganz ähnlich wie jede x-beliebige Bauernhütte, nur etwas geräumiger. Früher wurden die Zimmer rechteckig um einen Rauchabzug angelegt. So primitiv sind wir nicht, also gibt es bei uns statt eines Abzugs in der Mitte ein kleines Atrium.« Wir traten in den Innenhof, den man eigentlich Staatsforst hätte nennen müssen und der als solcher für ein paar Staaten zusammen gereicht hätte, ein Arrangement aus Gewächsen von Pinien bis zu Maulbeerbäumen, in denen die Finken und Spatzen ihre fröhlichen Weisen sangen, in einem schnellen, nervösen Trillern wie Händler, die auf dem Markt um den einzigen Kunden wetteiferten.
Der Hof war so weitläufig, dass man das Haus drum herum oft ganz aus dem Blick verlor. All die vergoldeten leeren Räume, die wir vorher durchwandert hatten, waren nichts als Fassade, denn das häusliche Leben spielte sich einzig und allein in dieser warmen grünen Mitte ab und kreiste natürlich um eine lange Tafel, bedeckt mit aromatischen Speisen und rotem Wein, genug, mich an all meinen unbefriedigten Stellen zu reizen.
Nanas Vater, der Hausherr, saß in der traulichen Runde seiner zahlreichen Gäste, deren Gezwitscher in Wettstreit mit dem der Vögel über ihnen trat. Als ich einmal erspäht worden war, rief er »Ruhe!« und griff nach einem Gefäß, das aussah wie das Horn eines Widders, so wie es einst Judäer bei ihren ausschweifenden Zeremonien benutzt hatten. Sofort drückte ein älterer Diener auch mir ein ähnliches Teil in dieHand, voll des Weines, während die Gäste im Angesicht der Fleischmassen unter meinen sich bauschenden Klamotten schwer schluckten und aufschrien.
»Stille nun, heiseres Sevo-Volk!«, rief ihr Meister, wobei sein ganzer winziger Körper wundersam zuckte, als hätte man ihm gerade einen elektrischen Schlag versetzt oder ein glühendes Brandzeichen aufgedrückt. »Ein großer Mann weilt heute unter uns! Erheben wir unsere Gläser auf Boris Vainbergs Sohn, auf unseren lieben jungen Mischa, zuletzt Bürger St. Petersburgs, bald Bürger Brüssels und auf ewig Sohn Jerusalems. Nun, wir alle wissen, dass die Vainbergs seit langem in Frieden in diesem Land leben. Sie sind unsere Brüder, und ihre Feinde sind auch unsere Feinde. Mischa, höre meine Worte, ich meine es ehrlich! Solange du unter den Sevo bist, wird meine Mutter auch deine Mutter sein, mein Eheweib wird deine Schwester sein, mein Neffe dein Onkel,
meine Tochter dein Weib
, und wenn du durstig bist, darfst du dich an meinem Brunnen laben.«
»Hört, hört!«, rief die ganze Schar und hob ihre Hörner, so wie ich das meine hob. Ein scharfes Gebräu überschwemmte meinen Mund und rann mir das Kinn hinunter. In feucht-alkoholischer Verständnislosigkeit betrachtete ich den Mann, aus dessen Samen meine Nana hervorgegangen war, einen Mann, der mir nun ebenso fest und besitzergreifend in die Augen starrte, wie ich morgens oft auf meine Würstchen blickte. Als er sich in einem vergeblichen Versuch, mich ganz in die Arme zu schließen, an meine Brust warf, durchzuckte es Herrn Nanabragovnas jungenhaften Körper erneut, so stark, dass es ihn beinahe aus dem halb offenen Leinenhemd warf. Eine Art entschlossenes Schniefen entrang sich ihm, und er putzte sich mit seinem Arm die Nase. Die nächste Zuckung entblößte Teile seiner sonnengebräunten Brust; das dichte graue Haar darauf pikste, sonst war sie weich und fest. Dann fiel er über mich her, umarmte mich und küsste mich auf beide Wangen. Ich spürte, wie er an mir zitterte und zuckte, ein wenig wie der elektrische Rasierapparat, der mir morgens das Kinn abholzte. »Herr Nanabragov«, sagte ich, die schwüle Wärme des Vaters fast so sehr genießend wie die der Tochter, »Ihre Nana hat mich hier so glücklich gemacht. Ich wünschte, dieser Krieg würde niemals enden.«
»Ich auch, mein guter
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