Snack Daddys Abenteuerliche Reise
weißen Stute vergleichen, einen primitiven schwarzen Barbaren im Sattel, der uns die Sporen in die zarten Flanken treibt. Seit St. Sevo der Befreier den Splitter von der Wahren Fußstütze Christi fand, den uns der diebische Armenier überliefert hat – meine Nana hat dir die Geschichte bestimmt erzählt –, konnte unsere Nation sich von ihren Nachbarn absondern, gesegnet mit Bildung und Wohlstand, aber geschlagen durch unsere geringe Zahl und zitternd unter der Knute unserer svanïschen Herren.« Er tat so, als würde er eine Knute hoch über seinen Kopf heben, und machte ein knallendes Geräusch.
»Wir verdienen die Unterstützung Israels, Mischa, findest du nicht auch? Du musst Israel sagen, dass wir wie ein Volk handeln sollten. Dass wir beide die letzte Hoffnung der westlichen Demokratie sind. Wenn er noch leben würde, Boris Vainberg, dein Vater selig, er würde als Erster an die Tore der israelischen Botschaft klopfen und dort für uns um Hilfe bitten. Und ich weiß, dass ich für alle hier am Tisch spreche, wenn ich sage, dass auch jeder von uns sein Leben für Israel geben würde.«
»Auf Israel!«, rief die Versammlung.
»Auf die Freundschaft der Sevo und der Juden.«
»Tod unseren Feinden!«
»Hört, hört!«
»Jesus war ein Jude«, steuerte Nanas kleiner Bruder Bubi ungefragt bei, der Jüngste bei Tisch.
»Natürlich war er das«, stimmte sein Vater zu, umfasste das knubbelige Kinn des jungen Mannes mit einer Hand und zauste ihm mit der anderen die Haare. Sie waren einander wie aus dem Gesicht geschnitten – auch Bubi war eine kleine mädchenhafte Schönheit, die langsam dick und rund wurde, ein Opfer südländischen Lotterlebens. Die ausgelassenen Zuckungen seines Vaters gingen ihm ab, offenbar fühlte er sich wohl in seinem Baumwoll-T-Shirt, auf dem ein Bild des berühmten lateinamerikanischen Gitarristen Santana prangte. »Ja, Jesus war ein Jude«, bestätigte der Vater und nickte weise dazu.
»Aber wer Castaneda liest, wird schon merken, dass er keiner war«, sagte jemand.
»Still, Wolodja!«, rief ein anderer.
»Nichts gegen die Juden«, versuchte es noch ein anderer.
Sofort legte ich die Suppenkelle ab, mit der ich mir den grobkörnigen Osetra-Kaviar in den Mund geschaufelt hatte, und sah mir diesen Wolodja genauer an. Er war der einzige gebürtige Russe am Tisch, ein aufgeblasener rotgesichtiger Mann mit den traurigen klaren Augen und den Hängeohren eines Wladimir Putin. Später erfuhr ich, dass Wolodja genau wie Putin ein ehemaliger KGB -Agent war. Unehrenhaft aus dem Dienst entlassen, nachdem er mehr als sein erlaubtes Maß an Amphibienfahrzeugen und Panzerfäusten geklaut hatte, arbeitete er jetzt als Sicherheitsberater des DORSCH . Man ließ ihn wohl besser links liegen. »Der Mann interessiert mich nicht«, sagte ich und tippte hochmütig mit der Kaviarkelle an mein Widderhorn.
Aber dieser Wolodja wollte von seinem hinterfotzigen Herumhacken auf den Juden nicht lassen. Immer wenn meine Gastgeber auf Schlauheit und Finanzkraft der Juden anstießen, sagte er zum Beispiel: »Ich bin ein guter Freund von Jörg Haider.«
Oder: »Zufällig sind ein paar meiner besten Freunde Neonazis. Prima Kerle. Arbeiten noch mit den Händen.«
Oder subtiler: »Natürlich gibt es nur einen Gott. Aber das heißt doch nicht, dass wir alle gleich sind.«
Der Vater zuckte, riss sich beinahe das Hemd vom Leib und stopfte es sich dann wieder in die Hose. Bubi und die anderen distanzierten sich laut von dem Russen und drohten, ihn des Tisches zu verweisen. Aber ich wollte Wolodja nicht den Gefallen tun, in Wut zu geraten. »Das Judentum lässt mich ziemlich kalt«, verkündete ich. »Ich bin Multikulturalist.« Nur dass es kein russisches Wort für »Multikulturalist« gab, weshalb ich sagen musste: »Ich bin ein Mann, der andere mag.«
Der Reigen der Trinksprüche setzte sich fort. Wir tranken auf die Gesundheit des Piloten, der mich eines Tages nach Belgien fliegen würde. (»Aber du musst für immer bei uns bleiben«, fügte Herr Nanabragov hinzu. »Wir lassen dich nicht gehen.«) Wir tranken auf Boris Vainberg, den Geliebten Herrn Papa selig, und die berühmte 800-Kilo-Schraube,die er einem gewissen amerikanischen Öl-Dienstleister angedreht hatte.
Dann war es Zeit geworden, auf die Frauen zu trinken. Herr Nanabragovs buckliger muslimischer Hausdiener namens Falisch wurde in die Küche geschickt, das Weibsvolk zusammenzutreiben. Fetttriefend, verschwitzt und ältlich tauchten sie auf und
Weitere Kostenlose Bücher