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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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Junge«, flüsterte Herr Nanabragov. »Ich auch.« Er ließ von mir ab und wandte sich dann an seine Tochter. »Nanatschka«, sagte er, »geh und hilf den Frauen mit den Hammeln, mein Schatz. Sag deiner Mutter, dass ich sie den Wölfen vorwerfen lasse, wenn sie die Kebabs verkohlen lässt. Und wir brauchen mehr
lipioschka
, Liebling. Dein neuer Verehrer sieht wie ein Feinschmecker aus. Wie können wir es da wagen, ihn hungern zu lassen?«
    »Ich würde lieber hier bleiben, Papa«, sagte Nana. Sie stützte die Hände in die Hüften und blickte so finster und bockig drein wie ein Teenager. Sie sah ihrem Vater überhaupt nicht ähnlich – er war eine winzige, nervöse Schneeflocke, sie ein großes, ausladendes Gefäß voll Hoffnung und Lüsternheit. Nur die vollen roten Lippen hatten sie gemeinsam; die aufgeworfenen Wülste verliehen dem Vater den schmollenden Glamour eines Transvestiten.
    »Das Abendessen ist nur für die Männer, mein Engel«, sagte Papa Nanabragov, und ich musste feststellen, dass der Hof tatsächlich nur von Angehörigen dieses langweiligen Geschlechts bevölkert wurde. »Geh dich mit deinen Freundinnen in der Küche amüsieren. Ihr werdet uns einen herrlichen Hammel bereiten. Aber nicht zu scharf braten. Verdirb deinem Kavalier nicht die Laune. So ein feiner Mann.«
    »Das ist so was von altmodisch«, sagte Nana auf Englisch zu ihm. »Das ist so was von total mittelalterlich, echt.«
    »Wie war das, meine kleine Sonne?«, fragte der Vater. »Du weißt doch, mein Englisch ist miserabel. Sogar mein Russisch ist peinlich. Nun, husch, husch! Flattere davon. Aber halt … Gib mir einen Kuss, bevor du gehst.«
    Ich hatte Nana noch nie ihre Wut hinunterschlucken sehen, vor allem, weil ich sie noch nie wütend gemacht hatte (wie kann man auch wütend auf einen Mann ohne Eigenschaften sein?). Sie seufzte tief, ihr ganzer Liebreiz sank aus ihren runden Walnussaugen hinab in die Regionen ihrer leicht o-beinigen unteren Körperhälfte, und ich dachte, sie würde gleich weinen. Stattdessen ging sie zu Papa hinüber, legte ihre Arme um ihn und küsste ihn brav sechsmal, einmal auf jede rote Backe, einmal auf jede kahle Schläfe und zweimal auf die dicke Nase, die sich wie ein Komma abwärts bog. Er kitzelte sie. Sie lachte. Er ließseinen Körper noch einmal seltsam zucken und gab ihr gleichzeitig einen Klaps auf den Po, grabschte sie auch ein wenig an. »Wissen Sie, Sir«, sagte ich, »eigentlich wäre es doch herrlich, Nana und ihre Freundinnen bei uns am Tisch zu haben. Frauen sind schön.«
    »Ich kann dir nicht beipflichten«, sagte Herr Nanabragov. »Es gibt eine Zeit für Schönheit und eine für Ernst. Lasset uns essen!«

28
    Tote Demokraten
     
    Meine Mitesser waren eine Inspiration. Sie aßen mit Inbrunst. Sie aßen mit den Händen. Ihre Hände waren immer voll. Ich nahm am Haupttisch viel Platz ein, und sie langten ungeniert über mich hinweg, um mich herum, an meiner Nase und unter meinem Kinn vorbei, um sich eine saftige Käsepastete oder einen warmen Brocken Fasan zu schnappen oder gefüllte Weinblätter vom Durchmesser eines Unterarms. Mit dem einen Mundwinkel schlürften sie ihr Essen auf, während aus dem anderen armenische Anekdoten herauspurzelten. Das Essen war gut, das Fleisch war fett und genau richtig, der Käse leicht geräuchert, die Klöße in der Suppe von genug schwarzem Pfeffer umhüllt, dass man husten und weinen und unserem ausgeplünderten Planeten für seine ganze Würze danken musste. Ich wurde nervös, schmuggelte diskret ein paar Tavor in mein Widderhorn und löste sie im starken sevischen Wein auf. Aber alles Tavor der Welt hätte meine Ängste nicht dämpfen können. Ich fing an, vor und zurück zu wackeln, wie immer, wenn mir Essen dieses Kalibers beschert wird. Herr Nanabragov hielt mich für einen Chassiden und brachte einen Trinkspruch auf Israel aus.
    »Wir Sevo wissen um die Probleme deines Landes«, sagte er; nur weil ich Jude war, hielt er mich offenbar schon für einen Israeli. »Auch wir sind Opfer unserer geographischen Lage. Sieh dir nur unsere Nachbarn an. Im Süden die Perser, in den anderen Himmelsrichtungen die Türken, weiter im Norden die Russen. Und teilen müssen wir unser Land mit dem svanïschen Affenvolk. Eine schwierige Lage. Stell dir nur vor, Mischa, wenn die Israelis nicht mehr Besatzer und Unterdrückerder Palästinenser wären und sich stattdessen unter dem muslimischen Joch befänden. Ich möchte unsere beiden Völker mit einer herrlichen

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