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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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sagte ich. »Und wenn ich nun einem anderen unterdrückten Volk helfen will statt meinem? Ich bin eine neue Art Mensch. Und zum Wohl der Menschheit sollten Sie sich wünschen, dass es noch mehr von meiner Sorte gibt.«
    »Eine neue Art Mensch? Und was für eine Art Mensch soll das sein?«
    »Ein Mensch, der die Last der Geschichte seines Volkes abgeworfen hat.«
    »Und wo hast du sie gelassen? Du bist der größte Jude von allen. Da führt kein Weg dran vorbei. Sieh dir bloß deinen Papa an. Hat dich mit 18 von den Chassidim beschneiden lassen. Also
wirklich
, Junge.«
    »Mein Papa hat Israel geliebt.«
    »Dein Papa …« Billings hielt inne. Er sah mir in die Augen, hob die Schultern, ließ sie dann wieder fallen und sah plötzlich sehr klein und 20 Jahre älter aus. »Du kannst mich Dror nennen«, sagte er in einem Ostküsten-Akzent mit einem rauchigen hebräischen Einschlag. »Auch wenn das nicht mein richtiger Name ist.«
    »Was wollten Sie da über meinen Papa sagen?«, fragte ich.
    Jimbo-Dror schüttelte den Kopf. »Schau mal, Mischa«, sagte er. »In den Siebzigern war ein charmanter, besoffener
refusenik
irgendwie herzergreifend. ›
Schabbat schalom
in Leningrad‹ und so weiter. Aber in den Neunzigern war dein Vater bloß noch ein ganz normaler russischer Gangster … ein Soziopath mit eingeschränkter Affektkontrolle. Ich zitiere aus seiner Akte.«
    Die offizielle Mossad-Einschätzung meines Vaters – so kleinkariert und kalt – konnte mich nicht provozieren. Dem trockenen Fetzen Schlangenleder, der einmal mein Gifthümpel gewesen war, war das Gift ausgegangen. Mein Zorn war verraucht. Mein Papa war schon lange tot, in einen israelischen Aktenschrank verbannt und in die verblassende Erinnerung an das nächtliche Schattenspiel seiner Hände auf meinem Körper.
    »Vielleicht war er so, wie Sie denken«, sagte ich zu Jimbo-Dror, »aber ich glaube nicht, dass er Israel um einen Schekel weniger geliebt hat als all ihr Mossadniks zusammen. Einem Rabbi, der die Araber ins Meer jagen wollte, hat er drei Millionen Dollar gegeben.«
    »Man erwartet nicht von uns, dass wir es
lieben
«, sagte Dror. »Nur, dass wir seine Existenz sichern.« Er zog eine Nickelbrille aus der Hemdtasche; jetzt sah er aus wie ein müder indischer Händler, der unerbittlich seine Waren über die Weltmeere verschiffte. Er entfaltete ein Stück Papier. »Am 7. September fährt in Svanïstadt ein American-Express-Zug ab, der am 8. die Grenze erreicht. AmEx hat die Grenzwachenbestochen, damit die Passagiere außer Landes gebracht werden können. Falls Sie Hilfe brauchen, ich werde in diesem Zug sitzen. Der nächste Zug fährt am 9. September ab, Ankunft am 10. September. Ich rate dir dringend, zu verschwinden, solange es noch geht, auf jeden Fall vor Beginn der russischen Luftangriffe nächste Woche. Nana kann dir mit der Fahrkarte helfen. Ich glaube, sie kostet 50.000 Dollar. Pro Kopf. Aber nimm sie nicht mit! Ihr Vater wird dich umbringen, wenn du sie ihm wegnimmst. Du weißt, wie diese Hottentotten sich mit ihren Töchtern haben.«
    »Sie reisen auch ab?«, sagte ich. »Verdammt noch mal, Dror. Dieses Land ist wirklich allen egal. Und dabei unterstützen die Sevo Sie in ihrem Kampf gegen die Palästinenser. Braucht Israel keine Freunde?«
    »Die Frage lässt sich nur in zwei Teilen beantworten«, sagte Jimbo-Dror. »Ja, wir brauchen Freunde. Und ja, dieses Land ist uns egal.«
    »Schön«, sagte ich. »Aber was ist mit dem Öl? Wenigstens für das Öl könnten Sie sich doch interessieren.«
    »Öl?« Jimbo-Dror nahm die Brille ab und sah mich aus seinen stechenden schillernden Augen an. »Machst du Witze, Vainberg?«
    »Was für Witze?« Mit einem aufgedunsenen Zeigefinger wies ich auf das Fenster, hinter dem ich das tosende und schäumende Kaspische Meer vermutete. »Das Öl«, sagte ich. »Figa-6. Das Chevron/ BP -Konsortium. KBR . Golly Burton.«
    »Du meinst das ernst, oder?«, sagte Dror. »Ach du Scheiße. Ich dachte, Nanabragov hätte dich eingeweiht. Weißt du, manchmal bin ich auch nach all den Jahren als Asphaltcowboy einfach baff.«
    »Eingeweiht? In was?«
    »Mischa, du armer fetter
schmegegge
von einem Mann. Es
gibt
kein Öl.«

41
    Raubvögel
     
    Kein Öl«, sagte ich. Um ganz sicher zu gehen, dass ich ihn richtig verstanden hatte, wiederholte ich die Worte auf Russisch.
»Njefti njetu.«
Mir war, als wäre mir etwas Liebes genommen worden, als segle eine Flotte der Gummisohlenboote meines Vaters über den Horizont davon.

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